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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
Die offiz. Prov.-Corr. gibt dazu folgende Erläuterungen: „Die beabsich-
tigten Einrichtungen sollen nicht durchaus Neues schaffen; sie knüpfen vielmehr
an die vorgefundenen oder die während der bisherigen Verwaltung bereits
eingerichteten Zustände an. Der Anschluß an die früheren französischen Ein-
richtungen erklärt sich vornehmlich aus dem Bestreben: der Bevölkerung In-
stitutionen, an welche sie gewöhnt ist, und welche sich als zweckmäßig erweisen,
zu belassen. Eine durchgreifendere Umgestaltung der Behörden würde über-
dieß ohne eine gleichzeitige Umgestaltung des Rechts selbst nicht durchführbar
sein, eine derartige neue gesetzgeberische Thätigkeit aber darf jedenfalls in der
Uebergangszeit nur mit Maß geübt werden, wenn sie nicht mehr zerstören
will, als sie aufbauen kann. Als die dringendste zunächst zu lösende Aufgabe
ist seitens der Regierung angesehen worden: den Fortgang einer regelmäßigen
Verwaltung zu sichern, und diejenigen Behörden zu bezeichnen oder einzuführen,
welche an Stelle der durch die Trennung von Frankreich aufgelösten oder
sonst in Wegfall gekommenen Behörden die gesetzlichen Befugnisse derselben zu
übernehmen haben. Wo es angänglich schien, ist die verwickelte Gestaltung
der Beamtenverhältnisse vereinfacht oder die Vereinfachung wenigstens vorbe-
reitet worden. Insbesondere war dabei die Absicht leitend, den Schwerpunkt
der Verwaltung in das Land selbst zu legen, und mit der Erhöhung der per-
sönlichen Verantwortung auch die Thätigkeit und Wirksamkeit der Beamten
zu erhöhen. . . . Die frühere Eintheilung in Arrondissements, deren das
Departement Unterrhein 4, Oberrhein 3, der jetzige Bezirk Lothringen 5 ent-
hielt, ist aufgegeben. Die übergroße Ausdehnung dieser Arrondissements,
welche schon zu französischer Zeit als ein Uebelstand erkannt wurde, machte
sich für die deutsche Verwaltung schon während der Occupation so fühlbar,
daß eine Theilung derselben unerläßlich erschien. Aus den 12 Arrondissements
wurden 22 kleinere Verwaltungsbezirke unter dem Namen Kreise gebildet,
derart daß die Städte Straßburg und Metz besondere Bezirke darstellten, und
jeder der übrigen 20 Kreise eine Durchschnittszahl von 70—80,000 Einwohnern
umfaßte. Bei der neuen Eintheilung wurde die Gleichartigkeit der Interessen
der Bewohner, die Abrundung der Lage, das Vorhandensein zweckmäßiger
Communicationswege, soweit angänglich auch die confessionelle Zusammenge-
hörigkeit als maßgebend für die Abgränzung betrachtet, und darauf Bedacht
genommen, die Cantone und Gemeinden, an welche alle anderen Organismen
(Friedensgerichte, Schule, Kirche etc.) sich anschließen, nicht zu zerreißen. Die
Ausdehnung der Kreise ist so gegriffen, daß eine eingehende, der Leistungs-
fähigkeit eines Beamten entsprechende Verwaltung möglich ist. Obwohl eine
weitere Organisation erst in Verbindung mit der Reform der Gemeindever-
waltung wird in Angriff genommen werden können, und vorher die Einrich-
tung der Kreise etwas unfertiges und dem früheren System fremdes an sich
trägt, so ist doch nach den bisherigen Erfahrungen ihre Einführung so weit
als zweckmäßig erachtet, daß sie als Grundlage für die staatliche Verwaltung
gesetzlich festgestellt werden kann. . . . Die oberste Verwaltungsbehörde in
Elsaß-Lothringen ist der Oberpräsident mit dem Amtssitz in Straßburg. Der-
selbe steht unmittelbar unter dem Reichskanzler. Der Oberpräsident führt die
Aussicht über die Behörden und Beamten der Landesverwaltung. Er hat für
gleichmäßige Ausführung der Gesetze, Verordnungen und Anordnungen des
Reichskanzlers zu sorgen und darüber zu wachen, daß die Verwaltung regel-
mäßig und nach übereinstimmenden Grundsätzen gehandhabt werde. Er hat
Beschwerden gegen die Behörden und deren Entscheidungen zu untersuchen und zu
entscheiden, oder die Entscheidung des Reichskanzlers herbeizuführen. Außerdem ist
dem Oberpräsidenten eine Reihe von Gegenständen zu unmittelbarer Verwaltung
überwiesen. Dem Oberpräsidenten wird die erforderliche Anzahl von Räthen bei-
gegeben, welche für gewisse Entscheidungen, die früher dem französischen Staats-
rath zustanden, künftig ein Collegium mit dem Namen „Kaiserlicher Rath
von Elsaß-Lothringen“ bilden. Bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist