Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

Oesterreich--Iugarn. 259 
Waffen im Kampfe gegen jenes Frankreich herrschten, das damals die öster- 
reichische Monarchie gerettet habe, und verlangt eine Stärkung der Wehrkraft, 
um gegen Preußen, namentlich aber gegen Rußland, das an dem wieder er- 
starkten Frankreich einen Bundesgenossen finden werde, ausreichend gesichert zu 
sein. Giskra entgegnet ihm: In meiner bescheidenen Stellung eines Bürger- 
meisters wurde mir während der Occupation von Brünn durch die preußischen 
Truppen eines Tages die Ehre zu Theil, vom preußischen Minister der aus- 
wärtigen Angelegenheiten zu einer Besprechung beschieden zu werden, deren 
Inhalt ich kurz damit characterisiren kann, daß mir der Wunsch nahe gelegt 
wurde, nach Wien zu gehen, um dort die Nothwendigkeit des Friedens im 
Interesse der Bevölkerung der Stadt, die ich zu vertreten hatte, zu betonen 
und womöglich Friedensverhandlungen anbahnen zu helfen. Die Bereitwillig- 
keit, Frieden zu schließen, und zwar in Brünn den Frieden zu schließen, wurde 
ausdrücklich vom Grafen Bismarck betont, und zwar auf Grund der wesent- 
lichen Bestimmungen, daß mit Ausschluß Venetiens, welches abzutreten öster- 
reichischerseits bereits erklärt war, der Länderbestand Oesterreichs integer bleibe, 
daß keinerlei Kriegsentschädigung gezahlt werde, daß in Deutschland der Main 
die Grenze für die preußischen Bestrebungen zu bilden habe, daß Süddeutsch- 
land freie Hand behalten und Oesterreich nach eigenem Ermessen sich mit dem- 
selben in Verbindung setzen möge; alles dies jedoch unter der Einen Bedingung, 
daß jede Intervention oder Mediation von Frankreich beim Friedensschlusse 
ausgeschlossen bleibe. (Bewegung. Hört!) Ich war durch meine amtliche 
Stellung und die Verhältnisse verhindert, dem an mich gestellten Ansuchen zu 
entsprechen. Es ging statt meiner eine von mir designirte Vertrauensperson 
(Baron Herring) mit der erwähnten Mission nach Wien. Sie wurde in Wien 
theilweise, und zwar hohen Orts sehr gnädig, sehr befriedigt und angenehm 
überrascht über das unerwartete Anerbieten, sogar mit Enthusiasmus über 
diese unerwartete Wendung aufgenommen, von einer anderen, eigentlich dem 
Geschäfte des Auswärtigen Amtes ressortmäßig abseitsstehenden, aber großen 
Einfluß auf dasselbe besitzenden Person (Graf M. Eszterhazy) sogleich anfangs 
kühl ausgenommen und nach fast dreißigstündigem Warten in Wien abgefertigt 
mit ausweichenden Bemerkungen und mit der Erklärung entlassen, daß, wenn 
Preußen Oesterreich formell einladen will, einen Bevollmächtigten zu Friedens- 
verhandlungen zu entsenden, Oesterreich geneigt sei, es zu thun, nicht aber 
auch auf die vorliegende, mehr private Einladung, indem man sich nicht der 
Gefahr aussetzen wolle und könne, daß ein solcher Abgesandter im preußischen 
Hauptquartier etwa zurückgewiesen würde. Der Mann eilte, nach vergeblicher 
Gegenvorstellung, so viel er konnte, nach Nikolsburg — er fuhr dabei ein 
zweites Paar Pferde zu Schanden — kam aber eine Stunde später dort an, 
als der französische Bevollmächtigte Benedetti dort angekommen war, und em- 
pfing die mißliche Antwort: „Sie sind um eine Stunde zu spät gekommen; 
eine Stunde früher würden die Verhandlungen einen anderen Gang genommen 
haben. Wir können im Augenblicke die Intervention Frankreichs nicht mehr 
ablehnen, weil dieselbe schon angenommen worden ist."“ Diese Thatsachen kann 
ich verbürgen als vollständig wahr, und überlasse es nun dem hohen Hause, 
zu beurtheilen, ob unter diesen Verhältnissen und bei diesen Thatsachen das 
Machtwort Frankreichs es war, welches damals Oesterreich vor dem vernichten- 
den „Stoße ins Herz“ bewahrte. Graf Beust: Wenn ich heute von Gefahren 
spreche — und ich bitte, diesen Ausdruck nicht in der Richtung zu deuten, daß 
gerade morgen die Gefahr vor der Thür steht, sondern nur von der gefahr- 
vollen Beschaffenheit der Lage — so wird wohl Niemand in dieser Versamm- 
lung sein, der mich unter den jetzigen Umständen anschuldigen könnte, ich suche 
nur ins Schwarze zu malen, um die Bewilligung der Regierungs-Postulate 
zu erlangen. Unsere Politik, darüber sind wir ja einig, soll und wird eine 
Politik der Vorsicht, der Zurückhaltung und zugleich des entschiedenen Be- 
strebens sein, die mit dem großen Nachbarreiche angeknüpften guten Beziehungen 
17“
	        
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