Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

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Oesterreich-Angarn. 
zu erhalten, zu befestigen und zu verwerthen. (Bravol links.) Allein, dürfen 
wir wohl vergessen, wie viel das verflossene Jahr uns der Ueberraschungen, 
der Erfahrungen, der Enttäuschungen gebracht hat? Und wer wohl wollte 
behaupten und beweisen, daß es in unserer Macht gelegen gewesen sei, die mit 
Sturmeseile hereingebrochenen Ereignisse abzuwenden oder ihnen eine andere 
Richtung zu geben? Und wer wollte wohl sich vermessen, den aus diesen Er- 
eignissen hervorgegangenen unerwarteten Gestaltungen solche Grenzen zu ziehen 
und vorzuzeichnen, welche seinen Wünschen und Hoffnungen am besten ent- 
sprechen? Wenn wir nichts unternahmen, um der Neugestaltung Deutschlands 
hemmend in den Weg zu treten, und wenn wir für diese neue Gestaltung nur 
einen freundlichen Gruß haben; wenn wir unsere Verhältnisse zu einem anderen 
Nachbarreiche unter Wahrung unserer Interessen, aber im versöhnlichen Geiste 
zu ordnen bemüht sind; wenn wir endlich uns einem dritten Staate als be- 
freundeten, seine Unabhängigkeit achtenden Nachbar zeigten, und selbst die Nolh- 
wendigkeit nicht scheuten, viele und achtungswerthe Gefühle im eigenen Lande 
verletzt zu wissen: so soll und muß man wissen, daß wir um so mehr zu er- 
warten uns berechtigt halten, daß man am eigenen Herde uns unangefochten 
lasse und uns jederzeit bereit finden wird, diesen Herd zu vertheidigen. Und 
ohne Optimismus glaube ich es als eine kostbare Frucht der schwerwiegenden 
Ereignisse der jüngsten Vergangenheit betrachten zu dürfen, daß die Erkenntniß 
dieser Lage und der daraus hervorgehenden Forderungen in beiden Reichs- 
hälften als eine gleiche sich herausgestellt, und daß damit auch ein einiger und 
einziger Patriotismus zu reifen begonnen hat. — Die Vorlage wird, indeß 
doch nicht ohne einige erhebliche Abstriche, genehmigt. Zu den letztern gehört 
namentlich auch die Befestigung der Ennslinie, über welche ein Delegirter sich 
dahin ausspricht: „Die oberösterreichische Bevölkerung will ihr Land nicht zum 
möglichen Schauplatze des Krieges mit Deutschen hergeben. Sie will kein 
Bollwerk gegen Deutschland." 
Die Delegation lehnt die Vorlage für die Errichtungvon sog. Terri- 
torial-Divisionen mit großer Mehrheit ab. 
31. Jan. Ungar. Delegation: hat auch ihrerseits die Berathung des 
Budgets zu Ende gebracht, so daß es sich nurmehr über die Aus- 
gleichung der Differenzen zwischen beiden Delegationen handelt. 
Die beiden Hauptdifferenzen bilden die Territorialdivisionen und die Zu- 
muthung der ungar. Delegation, Kosten für die ungarische Landwehr (Honved) 
auf das gemeinsame Budget zu setzen. 
3. Febr. (Ungarn.) Der Cult= und Unterrichtsminister Baron Eötvös . 
4. 
„ Delegationen: Die von beiden Delegationen behufs Ausgleich 
ihrer Differenzen ernannten Vertrauenscommissionen von je 7 Mit- 
gliedern vermögen sich nicht zu einigen. 
Die österr. Delegirten erklären sich geneigt, noch etwa 6 Mill. weiter zu 
concediren. Die ungar. Vertrauensmänner scheinen anfänglich geneigt, auf 
diese Basis einzugehen, lehnen es aber nach Besprechung mit ihren Collegen 
schließlich doch ab. Die Vertreter der ungarischen Delegation hatten nämlich 
die Votirung des Kriegsbudgets von der Einbringung der Vorlage Über die 
Territorial-Divisionen abhängig gemacht, und waren für den Fall, daß ihrem 
Wunsch entsprochen werde, die Verpflichtung eingegangen, die Forderungen der 
Kriegsverwaltung ohne nennenswerthe Abstriche zu acceptiren. Die österr. 
Delegation will es nun auch ihrerseits auf die gemeinsame Abstimmung an- 
kommen lassen.
	        
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