Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

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Gesterreich-Ingarn. 267 
März. (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: Graf Hohenwart be- 
antwortet eine Interpellation Herbst's, welche die Regierung auf- 
fordert, endlich Klarheit in die Lage zu bringen und mit ihren Vor- 
lagen herauszurücken, dahin, daß das Cabinet eine Gesetzesvorlage 
über eine den Landtagen zu gewährende erweiterte Gesetzgebungs- 
initiative sofort nach den Osterferien einzubringen gedenke. 
Inzwischen unterhandelt das Ministerium fortwährend eifrig mit den Czechen 
über die Grundlagen eines Ausgleichs und ist zugleich bemüht, einen Theil 
der bisher zur Verfassungspartei haltenden Mitglieder der Großgrundbesitzer 
im Abgeordnetenhause auf seine Seite zu bringen, um so die Verfassungs- 
partei womöglich von vornherein in die Minorität herabzudrücken. 
„ (Ungarn.) Der Katholiken-Congreß nimmt nach langen, ziem- 
lich verworrenen, theilweise heftigen Debatten den Mehrheitsentwurf 
eines Statuts, der den Wünschen der Kirchenfürsten und der kleri- 
kalen Partei entspricht, mit entschiedener Mehrheit an. 
„ (U ngarn.) Der Katholiken-Congreß hält seine Schlußsitzung und 
seßt einen ständigen Ausschuß ein. 
Der Congreß erregte im Ganzen ein verhältnißmäßig nur geringes Interesse; 
das große Publikum blieb fast völlig theilnahmlos und selbst manche ungarische 
Blätter widmeten den Verhandlungen nur wenig Raum. 
„ (Oesterreich.) Der Cardinal-Erzbischof von Prag, obgleich auf 
dem Concil einer der thätigsten Widersacher der päpstlichen Infalli- 
bilität, verkündet dieselbe doch nun auch seinerseits. Nach und nach 
folgen ihm darin auch seine sämmtlichen cisleith. Collegen, Cardinal 
Nauscher nicht ausgenommen. 
April. (Ungarn.) Abg.-Haus: Ghiczy interpellirt die Regierung über 
die von ihr den Beschlüssen des Katholiken-Congresses gegenüber be- 
absichtigte Haltung und wahrt von vorneherein die Rechte der Legis- 
lative gegenüber diesen Beschlüssen. Die Interpellation wird selbst 
von der Majoritätspartei mit lebhaftem Beifall begleitet. 
„ (Oesterreich.) Der Pole Grocholski wird zum Minister ohne 
Portefeuille ernannt. Das Ministerium unterhandelt auch mit den 
Polen über die möglichen Grundlagen eines Ausgleichs. Thatsächlich 
erscheint der neue Minister als „Minister für Galizien“, wenn auch 
vorerst noch nicht unter diesem Titel. 
„ (Oesterreich: Tyrol.) Der Bürgermeister von Trient und 
sämmtliche Gemeindevorstände des ehemaligen Fürstenthums überreichen 
dem Kaiser bei seiner dortigen Anwesenheit eine Denkschrift, worin 
sie die Bildung eines eigenen Kronlandes und die Gewährung eines 
wälsch-tyrolischen Landtags verlangen. Der Kaiser antwortet mit der 
Zusicherung, die berechtigten Begehren berücksichtigen und auf dem 
Wege der bestehenden Gesetze in Verhandlung nehmen zu wollen. 
„ (Oesterreich.) Der Wiener Gemeinderath beschließt, dem Führer 
der Altkatholiken in München, Stiftspropst v. Döllinger, „für seine 
mannhafte Geistesthat die dankbare Anerkennung und die Sympathie
	        
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