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Oesterreich-Angarn.
der Wiener Bevölkerung in einer Adresse auszusprechen,“ und gleich-
zeitig an das Gesammtministerium eine Petition zu richten „damit im
legislativen Wege das Verhältniß zwischen Staat und Kirche auf neuen
gesetzlichen Grundlagen geregelt werde, welche die Rechte und Freiheiten
der Staatsbürger gegen terroristische Acte der Kirchengewalt vollständig
sicher stellen."
22. April. Die Delegationen werden auf den 22. Mai einberufen und da-
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durch der Session des cisleith. Reichsraths eine ziemlich kurze Frist
gesetzt, obgleich das Ministerium Hohenwart bisher auch noch nicht
eine der von ihm in Aussicht gestellten, so tief eingreifenden Vorlagen
eingebracht hat.
„ (Ungarn.) Abg.-Haus: Cultminister Pauler beantwortet eine
Interpellation betr. der in Stuhlweissenburg unter Glockenklängen er-
folgten Publication des Unfehlbarkeitsdogma's dahin
daß die Regierung von dieser Thatsache keine Kenntniß habe und erinnert
übrigens an eine Regierungsverfügung (Eötvös) vom 9. Aug. v. J., die es
strengstens verboten habe, ohne Bewilligung der Regierung päpstl. Beschlüsse
zu verkünden oder zu versenden, wie denn die Regierung überhaupt das Pla-
cetum regium als unverjährt und rechtswirksam anerkenne und aufrecht zu
halten entschlossen sei.
Dasselbe erklärt der Minister in Antwort auf die Interpellation
Ghiczy's v. 3. April bez. des Katholikencongresses und daß, soferne
das Statut Puncte enthalte, welche bestehende Gesetze abändern, diese
nicht ohne Zustimmung der Legislative in Wirksamkeit treten könnten.
Ghiczi erklärt sich im Allgemeinen mit der Antwort des Cultusministers
zufriedengestellt, fühlt sich jedoch veranlaßt, nochmals in einer bedeutenden mit
stürmischem Beifall aufgenommenen Rede auf den eigentlichen Gegenstand seiner
Interpellation zurückzukommen, daß für ihn nämlich die Frage: ob das Statut
bestehende Gesetze abändere, entschieden und die Ausführung irgendwelcher Be-
schlüsse des Katholiken-Congresses ohne Genehmigung des Reichstags daher
nicht zu gestatten sei. „Seit das Reich besteht“ — sagt Ghiczy — „existirt
keine Autonomie der katholischen Kirche, die Einführung derselben bedarf also
der Genehmigung des Reichstags. Selbst der König kann nicht die Statuten
bindend sanctioniren, ohne einen Verfassungsbruch zu begehen.“
„ (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: Das Ministerium Hohen-
wart bringt endlich die Vorlage wegen Erweiterung der Gesetzgebungs-
initiative der Landtage ein. Dieselbe wird einem aus dem ganzen
Hause zu wählenden Ausschusse von 24 Mitgliedern überwiesen.
Dieselbe lautet: § 1. Den Landtagen der im Reichsrathe vertretenen
Königreiche und Länder steht das Recht zu, in Angelegenheiten, welche nach
§ 11 des Grundgesetzes über die Reichsvertretung dem Reichsrathe vorbehalten
und in dem § 5 des gegenwärtigen Gesetzes nicht ausgenommen sind, Gesetz-
vorschläge zu beschließen, die mit Zustimmung des Reichsrathes und nach er-
folgter Sanction des Kaisers für das betreffende Land Gesetzeskraft erlangen.
§ 2. Gesetzvorschläge dieser Art gelangen durch Vermittlung der Regierung
an den Reichsrath und sind von diesem als Vorschläge der Landtage in Ver-
handlung zu nehmen. § 3. Der Reichsrath hat sich bei dieser Verhandlung
auf die Prüfung zu beschränken, ob das von dem Landtage vorgeschlagene
Gesetz mit den. Interessen des Reiches vereinbar sei oder nicht und hienach dem