Oesterreich-Angarn. 269
Gesetzvorschlage im Ganzen seine Zustimmung zu ertheilen oder dieselbe abzu-
lehnen; eine Abänderung des beantragten Gesetzentwurfes kann nicht beschlossen
werden. § 4. Erlangt der Gesetzvorschlag die Zustimmung der beiden Häuser
des Reichsrathes nicht, so ist hievon dem Landtage von der Regierung die
Mittheilung zu machen. § 5. Das Recht der Landtage zu Gesetzvorschlägen
die nach den vorangehenden Bestimmungen zu behandeln sind, erstreckt sich nicht
auf folgende nach § 11 des Gesetzes über die Reichsvertretung zum Wirkungs-
kreise des Reichsrathes gehörige Angelegenheiten: a) Auf diejenigen, welche in
den Absätzen a, c und o dieses Paragraphen angeführt sind; b) auf Ange-
legenheiten, welche sich auf die Art und Weise, sowie die Ordnung und Dauer
der Militärpflicht beziehen und auf die Bewilligung der Anzahl der auszu-
hebenden Mannschaft; c)h auf die Regelung des Geld-, Münz= und Zettelbank-
wesens, der Zoll= und Handelsangelegenheiten, sowie des Telegraphen-, Post-
und Eisenbahnwesens; d) auf die Gesetzgebung über das Staatsbürgerrecht;
e) auf die gesetzlichen Bestimmungen zur Durchführung des Staatsgrundgesetzes,
über das Reichsgericht und f) auf alle Angelegenheiten überhaupt, welche kraft
der Vereinbarungen zwischen den im Reichsrathe vertretenen Königreichen und
Ländern und den Ländern der ungarischen Krone durch gleiche gesetzliche Vor-
schriften oder nach gleichen Grundsätzen zu regeln sind. § 6. Die Regierung
kann die Mittheilung von Gesetzvorschlägen der Landtage an den Reichsrath
ablehnen, bei welchen die in dem § 1 bezeichneten Voraussetzungen nicht vor-
handen sind. § 7. Ein nach den vorangehenden Bestimmungen zu Stande
gekommenes Gesetz kann, den Fall des § 14 des Grundgesetzes über die Reichs-
vertretung ausgenommen, nur im Wege der Reichsgesetzgebung außer Kraft
gesetzt werden und zwar: a) auf Vorschlag des Landtages; b) auch außer
diesem Falle, wenn dies in einem späteren, dieselbe Angelegenheit für alle
Königreiche und Länder regelnden Gesetze ausgesprochen wird. 8 8. Dieses
Gesetz tritt mit dem Tage der Kundmachung in Wirksamkeit.
28. April. (Oesterreich.) Mehr als 60 kath. Professoren der Universität
Wien richten eine Zustimmungsadresse an den Stiftspropst Döllinger
in München:
„Ausgerüstet mit umfassender Gelehrsamkeit haben Sie Ihrer auf Grund-
lage strenger Forschung gewonnenen historischen Ueberzeugung, wonach die
Decrete des vaticanischen Conciliums mit dem Glauben der Kirche nicht im
Eimklang stehen, unter schwierigen Verhältnissen rückhaltlosen Ausdruck ge-
geben. Sie haben die Ergebnisse Ihres Forschens und Denkens der Aufforde-
rung zum Widerrufe gegenüber mit dem Muthe wissenschaftlicher Ueberzeugung
standhaft festgehalten und vertheidigt. Wir unterzeichneten Professoren der
Wiener Universität fühlen uns gedrängt, Ihnen, hochwürdiger Herr, für diese
Ihre Haltung in dem begonnenen Kampf unsere vollste Anerkennung auszu-
sprechen, und bitten Sie, die Versicherung unserer aufrichtigen Theilnahme
entgegenzunehmen.“
1. Mai. (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: Im Finanzausschusse
kommt es zu einer Auseinandersetzung über die Absichten der Regie-
rung in Betreff der in der Thronrede versprochenen konfessionellen
Vorlagen.
Der Abg. Wickhoff fragt, wie sich die Regierung zum Dogma über die
Infallibilität und zum Syllabus verhalte, welche Anfrage Minister Jirecek
mit der Erklärung beantwortet: „Er stehe bezüglich der Infallibilität auf
demselben Standpunkte, welchen die Regierung einnahm, als sie die Kündigung
des Konkordates veranlaßt habe. Das Dogma der Infallibilität sei als sol-
ches eine kirchliche Angelegenheit, aber der Staat müsse und werde sich bezüg-
lich ihrer praktischen Folgen das volle Recht wahren.“ Die weitere Frage
des Abgeordneten Wickhoff, ob nicht die Regierung gesonnen sei, dem Bischof