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Oesterreich-Ingarn.
die verfassungsmäßige Competenz des Landtags überschreiten, oder nicht inner-
halb der durch die Landesordnung vorgeschriebenen Formen gefaßt werden sollen.“
Die allein gebliebenen Feudalen und Nationalen, 143 an Zahl,
beschließen hierauf auf den Antrag von Clam-Martinic einen Ausschuß
von 30 Mitgliedern niederzusetzen, um die staatsrechtlichen Forderungen
Böhmens und dessen Verhältniß zu den übrigen Königreichen und
Ländern zu formuliren und zu regeln. Inzwischen vertagt sich der
Landtag auf unbestimmte Zeit.
16. Sept. (Ungarn: Croatien.) Die Eröffnung des Landtags wird von
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der Regierung in Pesth abermals verschoben.
„ (Oesterreich.) Eine Conferenz verfassungstreuer Abgeordneter
aus allen Kronländern einigt sich über das weitere gemeinsame Vor-
gehen in den Landtagen und gegenüber dem bevorstehenden Reichsrathe.
In letzterer Beziehung gehen die Beschlüsse im Wesentlichen dahin, daß
gleichzeitig mit der eventuellen Eröffnung eines slavischen Reichsrathes in Wien
eine Versammlung sämmtlicher deutscher Abgeordneter in Wien zusammen-
trete, um die in den Einzellandtagen abgegebenen Erklärungen und Proteste
zu einer gemeinsamen großen Deklaration der Deutschen Oesterreichs zusam-
menzufassen. Ueber die Punkte dieser Deklaration verständigt sich die Ver-
sammlung vorläufig dahin: entschiedene Aufrechthaltung der Dezember-Ver-
fassung und des nationalen Zusammenhanges der Deutschen in Oesterreich,
Verwahrung gegen jeden verfassungswidrigen oder verfassungsändernden Beschluß
des illegalen Reichsrathes, insbesondere aber Protest gegen jede Finanzmaß-
regel, welche von diesem slavischen Neichsrathe beschlossen und vom Ministerium
ausgeführt werden sollte, sowie die nachdrückliche Erklärung, daß die Deutschen
kein Anlehen, welches von diesem Reichsrathe votirt werden sollte, als rechts-
verbindlich für das Reich ansehen und daß sie niemals zugeben würden, daß
dasselbe verzinst oder je zurückgezahlt werde.
„ (Oesterreich.) Giskra und einige andere Mitglieder der Ver-
fassungspartei gehen nach Pesth, um sich womöglich mit der Deak-
partei gegen die föderalistischen Pläne Hohenwart's und der Czechen
in Verbindung zu setzen.
„ (Oesterreich.) Die deutschen Landtage protestiren energisch gegen
das k. Rescript an den böhmischen Landtag.
Rechtsverwahrung des niederösterr. Landtags: „Der verfassungs-
mäßig versammelte Landtag des Erzherzogthums Oesterreich unter der Enns
legt hiemit feierlichst und nachdrücklichst Verwahrung ein gegen die aus dem
a. h. Rescripte vom 12. September 1871 sich ergebende Unverbindlichkeit der
Reichsverfassung für das Königreich Böhmen und die daraus folgende Ver-
letzung der Staatsgrundgesetze und der darin gewährleisteten Rechte aller
übrigen Länder der Monarchie, sowie gegen alle auf diesen Bruch des öffent-
lichen Rechtes basirten oder denselben ausführenden Gesetze, Verordnungen und
Verfügungen jeder Art, insbesondere gegen solche, wodurch die Rechte der
Deutschen in Oesterreich in irgend einem Theile des Reiches oder das Band
ihrer Zusammengehörigkeit bedroht oder verletzt werden sollten. Er erklärt,
keine Versammlung als den rechtmäßigen Reichsrath betrachten zu können,
welche auf Grund einer Verfassungsverletzung einberufen wird, oder sonst auf
gesetzwidrige Weise zu Stande kommt. Er erklärt endlich alle ohne Zustim-
mung des verfassungsmäßigen oder unter Mitwirkung eines verfassung swidrig
zu Stande gekommenen Reichsrathes erlassenen Gesetze, Beschlüsse und Acte
jeder Art für unverbindlich und rechtsunwirksam.“