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Oesterreich-Angarn.
Verrückung dieses staatsrechtlichen Verhältnisses als Bruch des bestehenden
Verfassungsrechtes betrachtet werden muß: Sieht sich der steierische Landtag
verpflichtet, hiemit feierlichst und nachdrücklichst Verwahrung einzulegen gegen
das an den böhmischen Landtag erlassene Rescript, vermöge dessen eine in den
bestehenden Verfassungsgesetzen nicht begründete staatsrechtliche Sonderstellung
des Königreiches Böhmen gegenüber den übrigen zur Vertretung im Reichs-
rathe berufenen Ländern anerkannt wird, damit aber die staatsrechtliche Einheit
aller zur Vertretung berufenen Länder zerrissen, der gesammte Rechtsboden
des Reiches durchbrochen und bei der unvermeidlichen Rückwirkung auf die
einzelnen Theile des Reiches verrückt wird. Der steierische Landtag erklärt,
daß er diese einseitige Abänderung der staatsrechtlichen Stellung des König-
reiches Böhmen als einen Verfassungsbruch betrachten wird, daher diesem
rechtswidrigen Acte, sowie allen aus demselben abzuleitenden Gesetzen, Verord-
nungen und Verfügungen im Allgemeinen, insbesondere aber jenen, durch
welche finanziell eine Belastung der übrigen Länder herbeigeführt oder die
Rechte der Deutschen Oesterreichs oder eines Theiles derselben verletzt oder
das Band der geschichtlich und rechtlich begründeten Zusammengehörigkeit der
Länder zerrissen werden sollen, keinerlei Rechtswirksamkeit zukommt. Der
steierische Landtag erklärt endlich jeden Vertretungskörper, der nicht auf Grund-
lage der Staatsgrundgesetze vom 21. Dezember 1867 über die Reichsvertretung
und nicht mit der dort festgestellten Competenz berufen würde, für illegal und
dessen Beschlüsse, sowie überhaupt alle im nicht verfassungsmäßigen Wege zu
Stande kommenden legislativen und finanziellen Acte für rechtsunwirksam,
null und nichtig."“
Aehnlich lauten die Proteste der Landtage von Kärnthen rc. Aus
dem Ausschußberichte des letzteren heben wir folgende Stelle als für die ganze
Lage der Dinge characteristisch hervor: „ .. Unserem geltenden Verfassungs-
rechte tritt ein böhmisches Staatsrecht gegenüber, dessen erster Satz ist: Voll-
ständige Negation der Reichsverfassung. Das königliche Rescript verläßt den
Rechtsboden und widerspricht offen dem kaiserlichen Rescripte an einen böh-
mischen Landtag, dessen Mitglieder dieselben, ja dessen Forderungen dieselben
waren: dem Reseripte vom 26. September 1870, in welchem der Kaiser vor
nun einem Jahre die Czechen auf die Verfassung verwies. Die Verrenkung eines
Gliedes am Staatskörper wird diesen selbst alteriren. Es gibt nur ein Recht
im Staate, das Staatsrecht, neben welchem mehrere Rechte doch nicht existiren
sollen und können. Das Reseript gibt aber auch die Deutschen preis, zer-
reißt ihre Solidarität, bedroht sie als ein Volk. Deshalb ist es nöthig, sich
gegen das Rescript zu verwahren, welches seltsamerweise den Kaiser in einem
Falle, den die Volksvertreter als Rechtsbruch auffassen zu sollen glauben, direct
handeln läßt. So schiene es, als wenn Kärnthens Landtag die schuldige Ehr-
furcht verletzen würde, wenn er jene Rechtsverwahrung beschließen würde.
Doch dem ist keineswegs so. Die Person des Kaisers ist nach derselben Ver-
fassung, für die wir eintreten, heilig und unverletzlich: aber seine Minister sind
verantwortlich für die Aufrechthaltung der Verfassung, und daran sollen sie
durch diese Rechtsverwahrung beizeiten erinnert sein. Statt den Monarchen
in der Anerkennung der Verfassung zu unterstützen, unterhandeln sie mit den
Gegnern der Verfassung, und darum rufen wir dieser Regierung unseren Protest
entgegen.“
In allen diesen Landtagen bestehen die Gegner dieser Beschlüsse
selbstverständlich nicht aus sog. nationalen d. h. slavischen Elementen,
die in denselben, den steierischen Landtag ausgenommen, fehlen, sondern
aus clericalen, die übrigens nur eine fast verschwindende Minder-
heit bilden.
„ (Ungarn.) Abg.-Haus: Der Cultminister Pauler beantwortet