Oesterreich-Angarn. 297
eine Interpellation Simonyi's über die von der Regierung gegen die-
jenigen Bischöfe, welche das Unfehlbarkeitsdogma verkündigt haben,
unternommenen Schritte.
Minister Pauler: „Man fragt, welche Resultate die Regierung von
ihren Verfügungen erwarte? Nun, sie erwartet das unmittelbare Resultat,
daß der genannte Bischof künftig den Gesetzen und gesetzlichen Verfügungen
gegenüber die schuldige Achtung an den Tag legen wird, und außerdem das
mittelbare, daß überhaupt das Ansehen der Gesetze gewahrt sein wird. Davon
daß außer dem Bischof von Stuhlweißenburg auch noch andere Bischöfe das
Infallibilitätsdogma kundgemacht hätten, besitze ich bisher keine Kenntniß. Der
Zweck des königlichen Jus placeti ist, daß durch dasselbe die mit verbindender
Kraft ausgestattete Publizirung, resp. Durchführung solcher Anordnungen, die
mit den Rechten der Krone und den Gesetzen des Landes im Widerspruch stehen,
verhindert werde. Dieses Recht der Krone aufrechtzuhalten und auszuüben,
ist der Beruf der Regierung, darüber hinaus aber dem Glauben Schrankeu
zu setzen, liegt nicht in ihrer Absicht und kann mit Rücksicht auf den Rechts-
kreis der Staatsgewalt und auf die Gewissensfreiheit nicht in ihrer Absicht
liegen. Sollte übriges Jemand sich solcher Handlungen schuldig machen, die
mit den Gesetzen des Landes im Widerspruche stehen, so wird sie es stets für
ihre Pflicht anerkennen, die Heiligkeit der Gesetze zu wahren." Darauf ent-
gegnet der Interpellant Simonyi: Es gebe Präzedenzfälle, daß man von
einem ad verbum audiendum zitirten Bischof verkangte, er solle den began-
genen Fehler gutmachen, die publizirte Bulle zurücknehmen; wenn er Dieß
aber nicht that, sei er abgesetzt und in ein Kloster gesteckt worden. Das sei
energisch gehandelt gewesen. Wenn dagegen die Regierung glaube, sie habe
genug gethan, daß sie den Bischof von Stuhlweißenburg zurechtwies, so irre
sie sich. Als Bischof Jekelfalussy das Infallibilitätsdogma publizirt hatte, sei
die Regierung lange unthätig geblieben und habe sich erst nach langem Schwan-
ken entschlossen, Das zu thun, was sie gethan. Dieses Schwanken habe aber
auch die übrigen Bischöfe, mit Ausnahme eines einzigen, ermuthigt, das
Dogma zu publiziren. Das Vorgehen der Regierung gegen den Bischof von
Stuhlweißenburg documentire ihre Unfähigkeit. Redner beantragt daher, daß
die Angelegenheit zu spezieller Berathung auf die Tagesordnung einer späteren
Sitzung gestellt werde. Bei der Abstimmung wird jedoch die Antwort des
Ministers mit 66 gegen 51 Stimmen einfach zur Kenntniß genommen, mithin
Simonyi's Antrag abgelehnt.
Das Haus genehmigt das von der Regierung geforderte Anlehen
von 30 Mill. Gulden behufs Errichtung öffentlicher Bauwerke in Pesth,
das sog. Verschönerungs-Anlehen, damit die ungarische Hauptstadt ferner-
hin eher als bisher mit Wien concurriren könne.
27. Sept. (Oesterreich: Böhmen.) Eine Wanderversammlung des deut-
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schen historischen Vereins für Böhmen in Teplitz gestaltet sich zu einer
großartigen deutsch-österreichischen Demonstration.
„ („Oesterreich: Vorarlberg.) Landtag: lehnt die Wahlreformvor-
läüge der Regierung, als eine Beschränkung des bisherigen Wahlrechts
enthaltend, mit Stimmeneinhelligkeit (der ultramontanen Mehrheit sowohl
als der liberalen Minderheit) ab.
„ (Oesterreich: Dalmatien.) Landtag: die verfassungstreue (ita-
lienische) Minorität des Landtags protestirt ihrerseits gegen das k. Re-
seript an den böhmischen Landtag.