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Oesterreich-Angarn.
19. Dec. (Oesterreich: Böhmen.) Bei den directen Reichsrathswahlen
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siegen in der Curie der Großgrundbesitzer die Feudalen mit 226 gegen
202 Stimmen. Die gewählten 15 Abg. der Curie werden daher im
Reichsrath nicht erscheinen.
„ Der bisherige Botschafter in London, Graf Apponyi, wird an die
Stelle des Fürsten Metternich nach Paris versetzt und so für den
Grafen Beust Platz gemacht.
„ (Oesterreich.) Der Kaiser ernennt 8 neue lebenslängliche Mit-
glieder des Herrenhauses, darunter den gew. Präs. des Abgeordneten-
hauses v. Kaiserfeld.
„ (Ungarn.) Massenhafte Richterernennungen in Folge der neuen
Gerichtsorganisation, die mit dem 31. d. M. in Kraft treten soll.
Der Kaiser hat 1200, der ungarische Justizminister nicht weniger als
8000 Ernennungsdecrete zu unterzeichnen.
„ (Oesterreich.) Zusammentritt des Reichsraths. Die deutsche
Verfassungspartei ist vollzählig erschienen, ebenso haben sich die Polen,
die Vertreter der Küstenländer und die Dalmatiner eingefunden. Da-
gegen fehlen sämmtliche Czechen aus Böhmen und Mähren sowie
auch die meisten Slovenen, Tiroler, Vorarlberger und Clericalen.
Das Abg.-Haus ist indeß beschlußfähig.
„ (Oesterreich.) Feierliche Eröffnung des Reichsraths. Thronrede
des Kaisers:
„Geehrte Herren von beiden Häusern des Reichsrathes! Indem Ich Sie,
Meinem Rufe und Ihrer Pflicht gewissenhaft Folge leistend, zum Beginne
einer neuen Periode verfassungsmäßigen Wirkens um Meinen Thron ver-
sammelt sehe, heiße Ich Sie willkommen und entbiete Ihnen meinen kaiser-
lichen Gruß. Erfüllt von dem Wunsche, alle Volksstämme Meines Reiches
zur ersprießlichen Theilnahme am gemeinsamen verfassungsmäßigen Leben
heranzuziehen, habe Ich wiederholt Meiner Bereitwilligkeit Ausdruck gegeben,
jeden geltend gemachten Anspruch mit Wohlwollen zu prüfen. Meine Geneigt-
heit, mit Zustimmung des Reichsrathes die äußersten, mit der Staatseinheit
verträglichen Zugeständnisse zu gewähren, vermochte jedoch nicht, den er-
wünschten inneren Frieden herbeizuführen. Indem die Krone die Länder mit
ihren Ansprüchen auf den durch die Verfassung vorgezeichneten Weg wies,
wahrte sie das Recht des Gesammtstaates und schirmte zugleich das eigenste
Interesse der einzelnen Königreiche und Länder. Meine Regierung, gebildet
aus Männern, welche Mein Vertrauen aus Ihrer Mitte berief, hält es für
ihre erste Aufgabe, den verfassun gsmäßigen Rechtszustand zu be-
festigen und dem Gesetze auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens unbedingten
Gehorsam zu sichern. In ruhiger Pflichterfüllung wird sie dahin wirken, daß
die Verfassung feste Wurzel fasse und in stetiger Entwicklung reiche Früchte
trage. Insoweit die eigenthümlichen Verhältnisse des Königreiches Galizien
eine besondere Berücksichtigung in der Gesetzgebung und Verwaltung erfordern,
wird Meine Regierung bereitwillig die Hand bieten, um die im Schooße der
Reichsvertretung geltend gemachten Wünsche innerhalb der Grenzen der Einheit
und Macht des Gesammtstaates zu erfüllen und hiemit diese Angelegenheit
zum endgiltigen Abschluß zu bringen. Die Vorgänge der letzten Zeit
haben die Erkenntniß zur Reife gebracht, daß, wie den Land-
tagen eine autonome Stellung gewährleistet ist, so auch dem