Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

406. 
Trankreich. 
8. Dec. Nationalversammlung: Die Regierung bringt folgenden Gesetzes- 
15. 
entwurf zu Gunsten der Orleans ein: 
„Art. 1. Die Decrete vom 22. Jan. 1852 betr. die Güter der Familie 
Orleans sind und bleiben aufgehoben. Art. 2. Die kraft dieser Decrete vom 
Staate mit Beschlag belegten und bisher nicht veräußerten beweglichen und 
unbeweglichen Güter werden unverzüglich ihren Eigenthümern zurückerstattet. 
Art. 3. Gegen die Ersteher der kraft jener Decrete vom Staate verkauften 
Güter und gegen ihre Rechtsnachfolger darf keine Klage eingeleitet werden. 
Art. 4. Die Nationalversammlung gibt den Prinzen von Orleans Act von 
ihrer Verzichtleistung auf jede Forderung an den Staat wegen der Aus- 
führung der Decrete vom 22. Januar. Art. 5. Alle Acte, durch welche die 
Prinzen von Orleans, sei es im Wege der Restitution oder des Rückkaufs, 
binnen einem Jahre in den Wiederbesitz ihrer Güter gesetzt werden, unterliegen 
nur ein für alle Mal derselben Eintragungsgebühr.“ Die Vorlage wird mit 
einigen Beifallszeichen aufgenommen und an die Bureaus verwiesen. 
Graf Duchatel trägt neuerdings auf die Uebersiedelung nach Paris 
an und verlangt für seinen Antrag die Dringlichkeit: 
Art. 1. Die Nationalversammlung, die executive Gewalt und die Minister 
verlegen ihren Sitz nach Paris. (Bewegung. Stürmischer Beifall links.) 
Art. 2. Das Gesetz vom 8. Sept. wird aufgehoben.“ Casimir Perier, 
Minister des Innern: Diese Frage ist zu ernst, als daß sie nicht schon längst 
die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich gezogen hätte. Aus Achtung vor 
der Nationalversammlung zog es die Regierung vor, dieser die Initiative zu 
überlassen. Ihren eigenen Stundpunkt wird sie in der Debatte kundgeben. 
Was die Dringlichkeit betrifft, so scheint es ihr allerdings angemessen, daß 
eine solche Frage, einmal aufgeworfen, auch sobald als möglich entschieden 
werde. (Laute Unterbrechungen rechts.) Courbet-Poulard: Die Frage 
ist ja bereits durch ein Gesetz entschieden! v. Lorgeril: Den Standpunkt 
der Regierung kennen wir schon aus dem Briefe des Hrn. Thiers an Herrn 
Jules Janin! (Neuer Lärm.) Perier: Die Regierung überläßt dem Hause 
die Entscheidung. Man schreitet zur Abstimmung, und die Dringlichkeit wird 
verworfen. (Großer Beifall rechts.) 
„ Nationalversammlung: Der Finanzminister bringt einen Gesetzent- 
wurf ein, welcher den Notenumlauf der Bank von 2400 Millionen 
auf 3 Milliarden erweitert; erst wenn der Notenumlauf 2800 Mill. 
erreicht hat, sollen die übrigen 200 Millionen ganz oder theilweise, 
jedenfalls erst nach einem Decret, welches zur Emission ausdrücklich 
ermächtigt, emittirt werden. Der Gesetzentwurf fordert die Ermächti- 
gung für die Bank zur Ausgabe von Appoints zu 10 und 5 Fres. 
Der Minister legt hierauf das Budget der Einnahmen und Ausgaben 
für 1872 vor. 
„ Nationalversammlung: Der Unterrichtsminister Jules Simon bringt 
seine Vorlage eines Elementarschulgesetzes ein. Dieselbe sucht mit 
möglichster Schonung aller dabei ins Spiel kommenden Interessen 
den Forderungen der Zeit wenigstens einigermaßen gerecht zu werden. 
Die ultramontane Partei ist jedoch damit aufs höchste unzufrieden 
und die Commission, an die die Vorlage zunächst geht, wird von den 
Abtheilungen überwiegend aus Gegnern derselben, mit dem Bischof 
Dupanloup als Präsidenten, zusammengesetzt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.