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Rom.
nicht, zurückzuweichen, sondern langsam vorzugehen; was ihn persönlich betrifft,
so erklärt er, vielleicht zum ersten Male, daß er seine Staaten nicht zurück-
nehmen wird, wenn man sie ihm anbieten würde; er wirft auf die Gewalt
einen melancholischen und uninteressanten Blick und sagt, daß heute die Sou-
veränetät nicht wieder aufzusuchen ist“ (la souveraineté n’est pas à recher-
cher). Man bemerkt in jeder dieser Phrasen eine angewohnte Sanftmuth,
das Herz des Mannes hat den Geist des Priesters überflutet.“ Die Antwort
des Papstes, daß er die Souveränetät nicht wieder begehre und sich mit einem
kleinen Stück Land begnügen würde, macht überall ungeheures Aufsehen, da
sie den offiziellen Aeußerungen der Curie ziemlich diametral widerspricht und
da an der Authenticität des Briefes nicht zu zweifeln ist, so wäre man ge-
zwungen, anzunehmen, der Papst habe in einem unbewachten Angenblicke gesagt,
was ihm seine Umgebung zu äußern sonst nicht gestatte. Jules Favre beharrt
seinerseits Anfangs auf der Authenticität des Schreibens, veröffentlicht aber
dann plötzlich eine Erklärung, wonach der Abschreiber doch einige Worte aus-
gelassen hätte, durch welche der Sinn der Worte des Papstes in sein gerades
Gegentheil umgewandelt und mit den bisherigen Aeußerungen desselben in
Einklang gebracht wird.
12. Mai. Der Cardinal Antonelli erläßt eine Circ.-Depesche an die Nunlia-
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turen bei den verschiedenen Höfen, in der er ihnen befiehlt,
die Regierungen, bei denen sie accreditirt sind, zu avisiren, daß der Papst
keinen fremden Vertreter empfangen und der päßpstliche Stuhl in keinerlei
offizielle Verbindung mit ihm treten kann, der zugleich auch beim Könige
Viktor Emanuel beglaubigt sei, sondern daß der Papst gegen jedes ähnliche
einer Anerkennung und Billigung der Beraubung des heil. Stuhles gleich-
kommende Vorgehen mit aller Kraft werde protestiren müssen.
„ Der Papst lehnt neuerdings in einer Enchcelica an alle Bischöfe
der kath. Kirche das italienische Garantiegesetz ab, verlangt die weltl.
Herrschaft des hl. Stuhles zurück und ermahnt die Fürsten, sich zu
diesem Ende hin zu einigen.
„Wir erachten es für die Pflicht Unseres Apostolischen Amtes durch euch der
ganzen Welt feierlich zu erklären: daß nicht bloß das, was man Bürg-
schaften nennt, und was durch die Bemühungen der subalpinischen Regierung
fälschlich zusammengestellt worden ist, sondern alle Titel, Ehren, Immunitäten
und Privilegien, wie immer sie beschaffen sein mögen und was immer unter
den Namen von Bürgschaften oder Garantien kommen mag, in keiner Weise
den ungehemmten und freien Gebrauch der Uns von Gott übergebenen Gewalt
zu sichern und die der Kirche nothwendige Freiheit zu schützen vermöge.
„Da sich das nun so verhält, so erklären Wir, wie Wir wiederholt
erklärt und bekannt haben, daß Wir ohne die Sünde der Verletzung Unseres
Eides keiner Versöhnung zustimmen können, die auf irgend eine Weise Unsere
Rechte, welche die Rechte Gottes und des Apostolischen Stuhles sind, zerstören
oder vermindern könnte, auch jetzt nach der Pflicht Unseres Amtes: daß Wir
niemals jene von der subalpinischen Regierung ersonnenen Bürgschaften oder
Garantien, wie immer sie geartet sein mögen, noch irgend welche andere der-
selben Art, und auf was immer für eine Weise sanctionirte, zulassen oder an-
nehmen werden, oder auch nur irgendwie können, die Uns, unter dem Vor-
wande Unsere heilige Gewalt und Freiheit zu schützen, an der Stelle und als
Ersatz der weltlichen Herrschaft angeboten wurden, mit welcher die göttliche
Vorsehung den heiligen Apostolischen Stuhl ausrüsten und vermehren wollte,
und welche Uns die legitimen und unerschütterlichen Rechtstitel so wie ein mehr
als elfhundertjähriger Besitz bestätigen. Denn es muß offenbar einem jeden
einleuchten, daß der römische Papst, sobald er der Herrschaft eines andern
Fürsten unterworfen und nicht mehr selbst wirklich mit der obersten Gewalt