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hat, daß er das Unglück Frankreichs nicht zu einer einseitigen Lösung dieser
Frage benutzen wolle. Allein es läßt sich bei unbefangener Betrachtung gewiß
nicht verkennen, daß Frankreich an einer bessern Regulirung dieses Verhält-
nisses im Grunde noch ein viel größeres Interesse hat als die Schweiz, wie
sich bei diesem Anlaß deutlich gezeigt hal. Die Schweiz kann am Ende auch
ohne Schaden warten; ihr Recht ist klar und neu gekräftigt, und es kann,
als auf dem Boden des Nachbarlandes ruhend, nicht untergehen. Dagegen
ist Frankreichs Besitzthum von einer Last belegt, welche unter Umständen dem
Gesammtbesitz sehr bedrohlich werden kann. Das Hauptinteresse an einer
besseren Regulirung hat daher Frankreich, und wir hegen alles Vertrauen in
die Einsicht und den guten Willen der französischen Regierung, daß sie in Bälde
darüber zu einer billigen Verständigung mit der Schweiz gelangen werde.“
10. Juli. Nachdem Frankreich 2 Mill. Fr. als Abschlagszahlung für die
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Internirungskosten seiner Ostarmee bezahlt hat, beschließt der Bundes-
rath, das gesammte Kriegsmaterial dieser Armee, die Handfeuerwaffen
ausgenommen, zurück zu erstatten.
„ Bundesversammlung: Botschaft des Bundesraths über die seit der
letzten December-Session bis zum Friedensschlusse bez. des deutsch-
franz. Krieges getroffenen Maßnahmen zur Wahrung der schweiz.
Neutralität. Dieselbe äußert sich über die neue Lage der Schweiz zu
Frankreich und Deutschland bez. des Elsasses folgendermaßen:
„Eine Sorge, welche den Bundesrath von dem Moment an beschäftigte,
als von Deutschland aus der Ruf nach Lostrennung des Elsasses von Frank-
reich und Wiedereinverleibung dieses Landes in Deutschland laut wurde, war
die den nachtheiligen Rückwirkungen zu begegnen, welche diese Annexion für
die Schweiz deutlich genug voraussehen ließ. Es waren zunächst die Gefahren
nicht zu verkennen, welche in commercieller Beziehung aus dem Umstand er-
wachsen mußten, daß die das Elsaß durchziehende Ostbahn eine deutsche Linie
würde, daß überhaupt eine französische Eisenbahnlinie die nördliche und einen
guten Theil der westlichen Schweizer-Grenze nirgends mehr direct erreichen
sollte. Die bisherige vortheilhafte Lage der Schweiz an zwei rivalisirenden
ausländischen Bahnsystemen, an einer deutschen, Antwerpen zustrebenden Linie,
und. an einer französischen, auf Paris und Havre gerichteten Linie; die aus
dieser Rivalität für die hinterliegende Schweiz erwachsenen Transport= und
Tarif-Combinationen, resp. Reductionen und Begünstigungen, das alles mußte
wesentlich alterirt werden durch eine dazwischen sich keilende neue deutsche
Provinz, sei es, weil die deutsche Bahnverwaltung die Direction nach Deutsch-
land zu ausschließlich bevorzugen und den Zufluß aus den französischen Plätzen
für die Schweiz erschweren dürfte, welche Befürchtung durch bezügliche Aeuße-
rungen der deutschen Presse sich als sehr begründet zeigte, namentlich aber
auch, weil die ohnedieß complicirten Verträge und Combinationen für Alimen-
tirung großer Transporte und Erzielung günstiger Preise zwischen Bahnen
verschiedener Länder noch bedeutend schwieriger werden, wenn jeweilen noch ein
drittes Bahngebiet betreten und dadurch ein dritter Betheiligter zum Mitreden
berechtigt wird. Welche Bedeutung dieses commercielle Interesse für die
Schweiz hat, erhellt deutlich aus der Thatsache, daß die Ein= und Ausfuhr
bei Basel ungefähr zwei Fünftel des gesammten schweizerischen Handels dar-
stellt. Von höherer Wichtigkeit noch als die genannten, erschienen uns die
Gefahren, welche die beabsichtigten Annexionen der künftigen Vertheidigung
unseres Landes und der Aufrechterhaltung seiner Neutralität zu bringen ge-
eignet waren. Diese Gefahren hier des näheren darzulegen, würde uns zu
weit führen, und wir verweisen in dieser Beziehung auf die bei den Acten
liegenden Gutachten unseres Militärdepartements. Diese drohende Sachlage