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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
fordert. Die Vernunft sagt uns, daß Unser Urtheil falsch und irrig sein
kann; durch den Glauben aber wissen wir, daß der Ausspruch des allgemeinen
Concils ein Ausspruch des heiligen Geistes selbst ist, somit wahr sein muß.
Wäre es nun da nicht thöricht, an Unserm Urtheil festzuhalten und dem Aus-
spruch des heiligen Geistes Uns zu widersetzen! Und wäre ein solcher Wider-
stand wohl ein Beweis, ein Zeichen katholischen Glaubens! Nimmermehr!
Wer an die Leitung und Führung der Kirche durch Christus und den heiligen
Geist glaubt, der kann keinen Augenblick im Unklaren darüber sein, was er
zu thun hat. Es bleibt nur die Alternative: entweder Glaube und Unter-
werfung, oder Unglaube und Ungehorsam. Auf dem Gebiete des Glaubens
muß jede Sonderansicht weichen, jede Lieblingstheorie zurücktreten, da ist Unter-
werfung und Gehorsam nicht ein Zeichen der Schwäche, der Unselbständigkeit
oder, wie man auch sagt, knechtischer Gesinnung und Abhängigkeit, sondern die
unerläßliche Bedingung der Gemeinschaft mit der Kirche und des ewigen Heils.
Als katholischer Bischof haben Wir während der Concilsverhandlungen Unserer
Pflicht gemäß Unserer Ueberzeugung offenen Ausdruck gegeben; als katholischer
Bischof mußten Wir dann aber auch dem Ausspruch des Concils ebenso offen
und aufrichtig Uns unterwerfen, und als katholischer Bischof müssen Wir von
euch das gleiche fordern.“
9. Jan. (Deutsch-französischer Krieg.) Die franz. Westarmee unter
General Chancy weicht vor den vordringenden Colonnen der Armee
des Prinzen Friedrich Karl auf Le Mans zurück.
Ein Korps des Generals v. Werder erstürmt und behauptet Villersexel
gegen die franz. Ostarmee unter Bourbaki; Werder gewinnt dadurch
zwei Tage Zeit, die befestigte Stellung Delle-Montbeliard-Mericourt-
Lure zu erreichen.
10. „ (Deutsch-franz. Krieg.) Gen. v. Manteuffel geht zur Ueber-
nahme der neugebildeten Südarmee gegen die franz. Ostarmee unter
Bourbaki ab.
Die Festung Peronne capitulirt.
11. „ (Bayern.) II. Kammer: Bericht und Anträge des XVer Ausschusses
für Vorberathung der Bündnißverträge mit Preußen und dem nordd. Bunde
(11 Mitglieder des rechten Flügels der patriotischen Partei, 1 Democrat
und 3 Mitglieder der Fortschrittspartei), die von der Mehrheit derselben
absichtlich über Neujahr hinausgezogen wurden, liegen endlich mit den
amtl. Ausschußprotokollen gedruckt vor. Die Majorität des Ausschusses
(Referent: Jörg) trägt auf Ablehnung, die Minorität (Referent: M.
Barth) auf Genehmigung der Verträge an. Die Debatte darüber beginnt.
Aus den Verhandlungen des Fünfzehnerausschusses über die
Bündnißverträge: In der Sitzung vom 28. Dez. wurde die Diskussion mit
einer Aeußerung des Grafen Bray eröffnet. Derselbe knüpfte an die kritischen
Bemerkungen des Referats über die Haltung der Regierung im Laufe der
Verhandlungen an und äußerte: Das Ereigniß von Sedan, welches nicht habe
vorausgesehen werden können, habe alle früheren Voraussetzungen als nicht
mehr zutreffend erscheinen lassen. Die Hoffnung auf Ersatz der Kriegskosten
und auf Erlangung eines Kapitales, aus welchem auch die übrigen Kosten ihre
Deckung finden könnten, sei eine berechtigte. Die Unkündbarkeit des Zollvereins
sei durch die vorliegenden Verträge erreicht, ebenso die Umwandlung des
Allianzvertrages in ein staatsrechtliches Verhältniß. Die Herabsetzung des
Militärstandes sei in Versailles nicht zu erreichen gewesen. Der Standpunkt,
welchen die Regierung im Sept. eingenommen und seitdem nicht verlassen habe,