Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 39
erhelle aus einem vom Gesammtministerium am 12. Sept. an den König er-
statteten Berichte und aus einem darauf erfolgten allerhöchsten Signate vom
17. Sept.; das Protokoll über die mit Hrn. v. Delbrück vor Ende Septembers
gepflogenen Verhandlungen übergebe er zur Einsichtnahme des Ausschusses.
Ref. Jörg: Die Voraussetzung jeder Verständigung über die Verträge sei die
ungekränkte Selbständigkeit Bayerns gewesen. Die Behauptung, daß die
Regierung den im Sept. eingenommenen Standpunkt nicht verlassen habe,
widerlege sich einfach durch die vom Minister Hrn. v. Lutz in der Kammer-
sitzung vom 14. Dezember gehaltene Rede. Dr. Schüttinger: Am 30. März
1870 habe Graf Bray die beruhigende Zuversicht gegeben, die Lage Bayerns
sei eine unangreifbare; jetzt sei Bayern bezüglich seiner Selbständigkeit nieder-
geworfen. Er werde zu den Verträgen „Nein" sagen, weil er darin die Ver-
nichtung Bayerns erkenne. Die Aeußerung des Herrn v. Lutz, daß an den
Vereinbarungen über das Militärbudget die frühere Haltung der bayr. Kammer
großentheils die Schuld trage, lasse deutlich den Zweck dieser Verträge erkennen.
Wenn man im Wege der Initiative nicht mehr erreichen konnte als Dieß, dann
habe man auch vom Druck der Gewalt nichts mehr zu verlieren. Werde das
Militärbudget aus den Händen der bayrischen Kammern genommen, dann sei
diesen ihr bedeutsamstes Recht entzogen; eine Verweisung auf die Wirksamkeit
bayrischer Abgeordneter im Reichstage sei bedeutungslos. Die Leistung des
Fahneneides unserer Soldaten für den König von Preußen greife an die
Majestät unseres Königs. Der bayrische Fahneneid habe hingereicht, Frank-
reich niederzuwerfen, die Bayern hätten dort zum Mindesten soviel geleistet,
als die Preußen. Diese Bestimmung zeige recht klar, daß das Preußenthum
uns keinen Funken von Selbständigkeit übrig lassen werde. Abg. Greil: Die
entschiedenste Gefahr der dem deutschen Kaiser übertragenen Exekutive liege in
der Streichung der Bestimmung über ihre Grenze. Dadurch könne sie bis
zur Absetzung jedes Bundesfürsten ausgedehnt werden. Sedan sei so gut als
Weißenburg vorauszusehen gewesen, denn der französische Kaiser habe nur
durch die Volksabstimmung und seine Armee aufrecht gestanden; war diese
geschlagen, so hatte er keinen Halt mehr. Die in Deutschland eingetretene
Bewegung könne auf ihn keinen Eindruck machen, sie komme nicht aus dem
Volke, sondern sie sei auf Kommando von Berlin, durch Aufforderung zu den
bekannten Adressen entstanden. Die Stimmung Deutschlands habe sich seit
vielen Jahren in der bekannten Richtung ausgesprochen gehabt, und von der
anderen Seite sei ihr Widerstand geleistet worden. Er habe es seit Jahren
bedauert, daß Bayern eine kräftige Regierung fehle, welche des Landes Wohl.
und die Kronrechte mit der der Würde eines Staates entsprechenden Energie
vertheidigte, eine Regierung, welche sich nichts von außen diktiren lasse und
unberechtigte Parteibestrebungen zurückzuweisen verstehe. Durch die Aus-
schließung Oesterreichs sei ein großes deutsches Reich unmöglich, ja man habe
die Aussicht, daß man mittelst eines neuen Bruderkrieges diese Länder wieder
werde hereinholen wollen. Warum habe man in Versailles nicht mehr erreicht,
da Preußen keinen Druck geübt habe! Die nationale Strömung erkläre
Dieses nicht. Es werde Dieses durch die Androhung einer Isolirung Bayerns
in der handelspolitischen Lage motivirt. Wäre Dieses der Fall, so würde
Preußen einfach einen Treubruch begehen. Es sei dieses Ergebniß um so selt-
samer, als man bisher immer angenommen habe, es sei Aufgabe der Re-
gierung, die Selbständigkeit der Krone und des Landes zu vertreten und in
dieser Richtung gegen Parteiangriffe energisch zu vertheidigen. So lange er
ein Bayer heiße, könne er zu diesen Verträgen nicht „Ja“ sagen. Abg. Hauck
bittet um Aufklärung, 1) ob in dem Militäraversum von 225 Thalern per
Mann die Militärpensions= und Disponibilitätslast einbegriffen sei, 2) über
die Kompetenz der bayrischen Kammer zu Abänderungen der Bundesverfassung,
3) Über die Betheiligung, resp. Mithaftung Bayerns an den Bundesschulden,
4) Über die Hoffnung auf Ersatz der Kriegskosten, nachdem Bayern vertrags-