Rußland. 445
Czarthum Polen, welche Ihre verflossene siebenjährige Thätigkeit so bedeutend
gefördert hat, ein wesentliches und unbedingtes Bedürfniß der allgemeinen
Staatseinheit bildet. Ich bin fest überzeugt, daß Sie, indem Sie auch in
Zukunft den von Mir vorgezeichneten Weg mit derselben wachsamen Uner-
schütterlichkeit verfolgen, beständig die Unabänderlichkeit Meiner Absichten in
Betreff der vollen. Verschmelzung des Czarthums Polen mit den übrigen
Theilen des Reichs im Auge haben werden, und indem Sie unablässig die in
dieser Richtung schon ergriffenen Maßregeln zu befestigen bestrebt sind, und sich
sorgfältig um ihre weitere Entwickelung in derselben Richtung bemühen, neue
Beweise Ihrer von Mir hochgeschätzten Ergebenheit an Thron und Vaterland
liefern werden.“
5. April. Die Russifizirung des kath. Gottesdienstes in den sog, westlichen
Gouvernements findet fast keinen Widerstand mehr.
26. Juni. In dem Streik, ob in den höheren Unterrichtsanstalten des Reichs
die classische Bildung beizubehalten oder durch eine realistische zu er-
setzen sei, entscheidet der Kaiser zu Gunsten der classischen Bildung.
14. Juli. Fürst Gortschakoff empfängt in Friedrichshafen (Württemberg)
eine Deputation der evangel. Allianz in Angelegenheiten der evangel.
Kirche der Ostseeprovinzen. Antwort des Reichskanzlers und spätere
(davon abweichende) Darstellung der ganzen Verhandlung im offiziellen
Regierungsboten.
24. „ Ein k. Ukas führt das Institut der Friedensrichter auch in den
sog. westl. Gouvernements ein.
23. Aug. Die Behäörde für die sog. fremden (d. h. alle nicht griechisch-
orthodoxen) Confessionen in Polen wird aufgehoben und geht die Ver-
waltung auch dieser Angelegenheiten an die Centralbehörden in St. Peters-
burg über.
Ende Nov. Die Telegraphenlinie nach China und Japan ist vollendet und
das erste Telegramm aus Nangasaki langt über Sibirien in St. Peters-
burg an.
5. Dec. Der preußische Prinz Friedrich Karl, Graf Moltke und eine
Anzahl anderer preußischer Generale langen zum Besuche und zur
Theilnahme am Georgsordensfeste in St. Petersburg an und werden
vom Kaiser selber mit höchster Auszeichnung empfangen.
8. Ordensfest des St. Georgsordens. Der Kaiser bringt beim Ban—
kette den Toast auf den deutschen Kaiser und auf seine preuß. Gäste aus.
Nach dem offiz. russ. Regierungsboten lautet der Toast: „Auf das Wohl
Sr. Maj. des Kaisers und Königs Wilhelm, des ältesten Ritters des Georgen-
Ordens, und der Ritter unseres Militär-Verdienstordens seiner tapfern Armee,
deren würdige Repräsentanten Ich stolz bin, heute unter uns zu sehen. Ich
wünsche und hoffe, daß die enge Freundschaft, die uns vereinigt, sich in den
künftigen Generationen verewige und ebenso die Waffenbrüderschaft unserer
beiden Armeen, die seit einer ewig denkwürdigen Zeit besteht. In derselben
sehe Ich die beste Bürgschaft für die Erhaltung des Friedens und der gesetz-
lichen Ordnung in Europa.“ Nach dem Berichte, welchen die „N. A. Ztg.“
über das Fest bringt, soll der Toast folgenden Wortlaut gehabt haben: „Ich