Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

Türkei. 451 
vorlegen. Was Mich betrifft, so dürfen Sie fest überzeugt sein, daß ich kein 
Opfer scheuen werde, um gewissenhaft die hohe Mission zu erfüllen, welche 
das Vertrauen der Nation Mir übertragen hat. Wir haben alle schwere Er- 
fahrungen gemacht; allein der Kampf hat uns gekräftigt, die Erfahrung hat 
uns aufgeklärt, und indem Ich jetzt die Menschen und die Dinge besser kenne, 
werde Ich mit sicherem Schritt auf dem Pfade des echten Fortschritts weiter- 
gehen. Die ganze Nation, erschöpft von den unfruchtbaren Kämpfen, in denen 
sie sich seit mehreren Jahren abmüht, hat sich wie ein Mann erhoben und 
ihr Verdict gesprochen. Die unumstößlichen Beweise des Vertrauens in Meine 
Regierung, die Mir von allen Seiten gegeben werden, die Ruhe, welche all- 
gemein herrscht, der liebevolle Empfang, der Mir bei Meiner jüngsten Reise 
mit der Fürstin zu Theil geworden, haben Mich vollständig überzeugt, daß 
das Land durchaus conservativ ist, und daß die Unruhestifter in Zukunft 
nichts als allgemeine Mißbilligung ernten werden. noch bevor das Gesetz sie 
strafen kamm. Von auswärts hat Meine Regierung die allerschmeichelhaftesten 
Aufmunterungen erhalten; die hohe Pforte läßt uns ihre klräftigste Unter- 
stützung angedeihen. Se. Maj. der Sultan hat Mich seiner Fürsorge und 
seines Vertrauens versichert. Die garantirenden Großmächte blicken mit 
Interesse auf uns, und geben uns augenscheinliche Beweise ihrer unwandel- 
baren Sympathien. Von Ihnen, Meine Herren, wird es abhängen, dem 
Staat Numänien eine neue Aera des Gedeihens und der Wohlfahrt zu er- 
schließen. Ich bin überzeugt, daß Sie von Pflichtgefühl durchdrungen sind. 
Gott segne Ihre Arbeiten!“ 
9. Juni. (Rumänien.) II. Kammer: wählt den conservativen Prinzen 
Demeter-Ghika zu ihrem Präsidenten und beschließt eine sehr loyal 
gehaltene Antwortsadresse auf die Thronrede. Der Fürst erwidert 
darauf: 
„Mit wahrhafter Befriedigung nehme Ich heute die von der National- 
versammlung beschlossene Thronadresse entgegen. Ich setze Mein ganzes Ver- 
trauen in diese Versammlung, und beglückwünsche Mich, daß Ich Mich in 
Meinen Hoffnungen nicht getäuscht habe. Die von der Kammer beinahe ein- 
stimmig angenommene Antwort auf die Thronrede ist der beredsamste Com- 
mentar Meiner Worte. Selbst die festesten Seelen haben Momente des 
Schmerzes. Als Ich sah, wie eine Minderheit, die sich der Freiheit bediente, 
um Unordnung hervorzurufen, und die den guten Glauben und die Gleich- 
giltigkeit der ruhigen Mehrheit des Landes ausnützte, nur dahin arbeitend, 
Mein bestes Wollen lahm zu legen — da besorgte Ich, daß Meine guten 
Absichten schlecht verstanden würden, und glaubte einen Augenblick — da Ich. 
Mich dem Lande nicht aufdrängen wollte — es wäre besser, den Platz zu 
räumen. Heute jedoch, wo die Nation in der aufrichtigsten und freiwilligsten 
Weise Mir ihr Vertrauen zeigte, wo die Mandatare der Nation bei Eröff- 
nung der Session Mir einen begeisterten Empfang bereiteten — einen Em- 
pfang, von welchem Ich tief gerührt war — heute bin Ich von der Ergeben- 
heit aller für den Thron und die Dynastie vollkommen überzeugt, und will 
mit aller Kraft, unterstützt von den Kammern und allen guten Bürgern, 
Meine schöne Mission erfüllen. Denn es ist Zeit, M. HH., daß wir nach so 
vielen unfruchtbaren Versuchen endlich einmal dem dringenden Wunsche des 
Landes nach Stabilität entsprechen. Auf einem Boden ohne Festigkeit, welcher 
fortwährend zittert, kann sich nichts dauerhaftes erheben. Der Beginn Ihrer 
Arbeiten ist eine mächtige Bürgschaft für die Zukunft. Ich bin üÜberzeugt, 
daß das gute Einvernehmen zwischen der Regierung und einer von Vaterlands- 
liebe beseelten Mehrheit unverändert fortbestehen wird. Diese Mehrheit wird 
die Pfade ihrer Pflichten gewiß nicht verlassen, in Versuchung geführt durch 
entgegenstrebende Tendenzen oder geblendet durch eine eitle Sucht nach leerer 
Popularität. 
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