Peilagen. 475
der Dardanellen zu Friedenszeiten im Principe anzuerkennen, dem Sultan indessen
deren Oeffnung in Ausnahmsfällen zu gestatten, wenn er es angesichts der Interessen
oder der Sicherheit seines Reiches für nöthig erachte, Kriegsschiffe der „Nicht-Flußmächte“
zuzulassen. Dem Vertreter der Pforte sagte diese Einschränkung nicht zu. Er schlug
vor, die Worte „freundliche Mächte“ zu substituiren, weil das Wort „Nicht-Fluß-
mächte"“ die Souveränetät der Pforte einschränkte und überdies zu offenbar gegen
Rußland gerichtet sei, also später leicht zu Mißhelligkeiten Anlaß geben könnte. Da
dieser Vorschlag der Türkei keine Unterstützung fand, wurden die Sitzungen zweimal
vertagt, damit Musurus Pascha sich mit seiner Regierung in Verbindung setze. Als
dann schließlich am 13. März der türkische Vertreter erklärte, die Pforte könne die
Beschränkung auf die „Nicht-Flußmächte“ keinesfalls annehmen, wolle aber die Be-
stimmungen des 1856er Vertrages bezüglich der Dardanellen intact erhalten, wurde auf
Antrag des italienischen Bevollmächtigten ein Paragraph angenommen, dahin lautend,
daß es dem Sultan freistehen solle, die Dardanellen den Flotten verbündeter oder
freundschaftlicher Mächte zu öffnen, falls die Durchführung der Vertragsbestimmungen
von 1856 dieses verlangen sollte. Sonach war jetzt die einzige ernstliche Schwierigkeit
erledigt, welche sich bei der ganzen Conferenz ergeben hatte.
Erst bei der letzten eigentlichen Sitzung der Conferenz, am 13. März, legte
der Herzog von Broglie seine Vollmachten als Vertreter Frankreichs vor und erklärte,
seine Regierung sehe keine hinreichenden Gründe für eine Revision des Vertrages von
1856, sondern würde im Gegentheil dessen vollständige Aufrechthaltung gewünscht
haben; da jedoch die Hohe Pforte, welche zunächst interessirt sei, in ein für Rußland
günstiges Abkommen gewilligt habe, wolle Frankreich sich diesem nicht widersetzen.
Dann fand noch eine formelle Sitzung statt, und die Londoner Conferenz von 1871
löste sich auf.