Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 43
lichkeit gekommen. Abg. Greil: Bei der Verwerfung der Verträge handle
es sich nicht um einen Uebergriff in die Prärogativen und um eine Kränkung
der Krone, sondern darum, daß die Abgeordneten des Volkes ihre Pflicht
thäten. Abg. Hauck: Er erachte es für ersprießlich, Modifikationen anzu-
streben. Die Form der Adresse würde dagegen eine Zwangslage herbeiführen,
wenn sich der König ablehnend verhielte. Dr. Schmid betrachtet die Modi-
fikationen nur als eine Verschleppung; wir müßten uns jetzt entscheiden; es
erfordere Dieß schon der Anstand gegen den Mitkontrahenten. Dr. Krätzer
hält die Modifikationen für nützlich, so lange noch die leiseste Hoffnung der
Abhilfe bestehe. Wer aber wisse, was Preußen mit diesen Verträgen wolle,
nämlich die Gründung einer Militärherrschaft über Europa, der könne Das
nicht erwarten. Der Antrag des Präs. v. Weis wird hierauf mit 14 Stimmen
gegen 1 abgelehnt. Abg. Dr. M. Barth: In einer am 8. Februar 1870
in der Kammer gehaltenen Rede habe er seine Forderungen bezüglich der Ab-
änderungen der nordd. Bundesakte, sowie bezüglich der Sonderrechte Bayerns
präzisirt. Der vorliegende Vertrag entspreche jenen Forderungen nicht, nament-
lich vermisse man schwer das verantwortliche Bundesministerium und eine
Abänderung des Art. 62 jener Verfassung. Allein er müsse um Auffassung
des Ganzen bitten. Er habe damals gerathen, die Zeit zu benützen, in welcher
unsererseits noch Bedingungen gestellt werden könnten. Daß vor der im Juli
eingetretenen Krisis noch eine solche Basis vorhanden gewesen sei, habe die
Regierung anerkannt, er könne daher an die Verträge seinen Maßstab vom
Februar nicht mehr anlegen. Es frage sich jetzt nur noch, ob wir in der
Lage seien, in den Bund eintreten zu müssen, und ob wir Abänderungen er-
zielen könnten. Sei das Erstere der Fall, so wären alle Betrachtungen um-
sonst. Wie die Dinge ständen, müßten wir in den Bund hinein, die Unmög-
lichkeit der Abänderung habe die eben vollzogene Abstimmung (über den
Weis'schen Antrag) ergeben. Die Nothwendigkeit des Eintrittes sei, abgesehen
von der Stimmung des Volkes, entstanden durch den bereits erfolgten Eintritt
von Baden, Hessen und Würtemberg, welcher Bayern völlig isolirt habe. Was
solle aus der Rheinpfalz werden! Auch an ein Fortbestehen des Zollvereins
über die vertragsmäßige Periode hinaus sei kaum zu denken. Preußen werde
den Vertrag halten, aber mit Widerwillen. Das Zollparlament werde aus
dem deutschen Reichstag und den 48 bayrischen Abgeordneten bestehen, den
Letzteren stehe dabei sicherlich keine angenehme Rolle bevor. Wenn man auch
Bayern Dank schuldig sei für die Bundeshilfe — obgleich man hier nur von
einem gegenseitigen Opfer sprechen könne —, so habe doch Alles seine Grenzen;
nachdem Bayern isolirt stehe, könne man es dem Reiche nicht verdenken, wenn
es uns den Zollvertrag kündige. Die Schwierigkeiten dieser Isolirung würden
wir sehr bald empfinden, den Politikern traue er keine Gefühle zu, sie rechneten
nur mit ihren Interessen. Man werde vielleicht daran denken, statt der Main-
linie die Donaulinie zu substituiren. Von Jahr zu Jahr sei gezögert worden,
das Gebotene anzunehmen, bis wir Schlechteres annehmen müßten. Es wäre
eigenthümlich, wenn der Landesfürst nationaler wäre, als die Kammer. Die
nächste Folge der Ablehnung der Verträge wäre die Kammerauflösung und
eine neue Agitation im Lande. Er erachte es für eine Gewissenspflicht, wohl
zu Überlegen, ob man die Sache ohne Zweck hinausziehen wolle. Was werde
es für einen Eindruck auf unsere Soldaten machen, wenn sie sich sagen müßten,
Alle seien einig, nur Bayern nicht? Frankreich werde daraus folgern, daß es
Bayern nie recht Ernst mit dem Kriege gewesen sei, der Friede könne dadurch
nur verzögert werden. Artikel 60 werde nicht richtig ausgelegt, denn seine
Bestimmungen seien nur bis zum 31. Dezember 1871 in Wirkung, dann
müsse die Friedenspräsenzstärke durch ein Bundesgesetz festgestellt werden. Die
Feststellungen in Artikel 62 beruhten auf der Voraussicht des französischen
Krieges, nach Sicherung unserer Grenzen habe auch Preußen kein Interesse
an so großen Militärlasten. Bezüglich der durch Art. 78 hervorgerufenen