Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

486 Mebersicht der Ereignisse des Tahres 1871. 
Nordwesten ab, vom Großherzog verfolgt und nun erging deutscherseits der 
Befehl, daß die Armee des Prinzen Friedrich Carl von der Loire her, das 
Corps des Großherzogs von Mecklenburg von Chartres aus im Bogen gegen 
Chanzy vorgehen und bei Le Mans zusammentreffen sollten. Diese Operation 
begann am 6. Jan. 1871 und ward mit musterhafter Präcision von allen 
Theilen der deutschen Armee durchgeführt. Wie in einem Treibjagen schoben 
sie die feindlichen Massen unwiderstehlich vor sich her; hinter jedem Abschnitt 
des höhenreichen, mit Terrainschwierigkeiten aller Art übersäeten Geländes 
leisteten die Franzosen Widerstand, erst mannhaft und kräftig, dann mehr 
und mehr erlahmend unter großen Verlusten an Todten und Verwundeten, 
unter noch größeren an Gefangenen und Ausreißern. Je näher die Deutschen 
ihrem Ziele, der Stadt Le Mans hinter der Sarthe, kamen, desto riesiger 
wuchsen die Mühen des Marsches, die Anstrengungen des Kampfes gegen 
starke Positionen, am 10., 11. und 12. Januar ward in allen Dörfern 
der Nachbarschaft mit größter Hartnäckigkeit gestritten, als es am Nachmittag 
des 12. dem X. Corps gelang bis dicht an die Stadt Le Mans heranzu- 
kommen und nun der rechte Flügel der Franzosen, der Stunden lang mit 
größter Bravour Stand gehalten hatte, plötzlich wankte und gleich darauf in 
wilder Auflösung vom Kampfplatz verschwand, verfolgt von den Hannoveranern, 
die mit den Flüchtlingen zugleich in die Stadt eindrangen. Das war die 
Katastrophe der Loirearmee. Der General gestand es selber ein. Sein 
Tagesbefehl vom 13. Jan. erinnerte an die „Siege“ bis zum 11. und sagte 
dann: „da kam plötzlich eine schmähliche Schwäche, eine unerklärliche Panique 
über euch, die ein theilweises Verlassen wichtiger Positionen herbeiführte und 
die Sicherheit der Armee gefährdete. Ein energischer Versuch, dies wieder 
einzubringen, wurde nicht gemacht, trotz sofortiger Ertheilung der nöthigen 
Befehle. So mußten wir Le Mans aufgeben.“ Die „zweite Armee“ war 
zersprengt, was davon in den nächsten Tagen durch Alencgon und Laval kam, 
das war in völliger Debandade. Sie ist nicht mehr auf dem Kampfplatz 
erschienen. 6 
Eine Woche später ward die andere Hälfte der am 5. Dec. gespaltenen 
Loirearmee, die mit dem Titel „erste Armee“ unter Bourbaki erst südwärts 
ausgewichen, dann mit großen Verstärkungen nach dem Osten gezogen war, 
von dem gleichen Schicksal ereilt. 
Bereits am 20. Dec. kündigte der Moniteur eine „Diversion in den 
Vogesen“ an, „um die Ostlinie wieder zu nehmen, die den Preußen so große 
Dienste leistet und dem Feinde die Verbindungen im Rücken abzuschneiden.“
	        
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