46
Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
Schwierigkeit geschaffen. Aber politische Schwierigkeiten würden bestanden
werden müssen, wenn sonst keine Wahl mehr übrig bleibe, als „sich selber
aufzugeben.“ Wenn Württemberg sich keine Zukunft seiner eigenen Staats-
existenz mehr zutrauen zu dürfen glaube, so beweise Das nicht, daß auch für
Bayern eine solche Zukunft nicht mehr blühe. Bayern könne nur mit Ver-
leugnung seines historischen Charakters und seiner territorialen Lage sich selber
der Fähigkeit berauben, den vermittelnden Uebergang zu bilden zwischen einem
streng centralisirten Kern des deutschen Reiches und den Millionen deutscher
Stammesverwandten, welche vollständig außerhalb an seinen Grenzen stehen.
Ueber das als Motiv aufgeführte „Damoklesschwert der Zollvereinskündigung“
erlaube er sich ein ganz offenes Wort. „Er besitzt, gestützt auf sein eigenes
moralisches Gefühl, eine bessere Meinung von dem mächtigen Verbündeten
Bayerns im jetzigen Kriege, als daß er es für möglich halten könnte, Preußen
werde wenige Jahre nachher die mit Strömen Blutes begründeten Verdienste
Bayerns um die preußischen Siege so belohnen, wie Hr. v. Lutz es in drohende
Aussicht stellt. Er hält es um so mehr für moralisch unmöglich, daß Preußen
den bezeichneten Weg einschlage, nachdem ein bekanntes Circular des Grafen
Bismarck schon im Jahre 1867 die Loyalität hervorgehoben hat, womit Preußen
durch die neuen Verträge thatsächlich die altbekannte „Daumschraube“ aus der
Hand gegeben habe, wie denn in der That die parlamentarische Verfassung
des neuen Zollvereins mit dessen Kündbarkeit in greifbarem Widerspruche steht.
Bei der bereits vollzogenen Ausdehnung des „deutschen Bundes“ auf Südwest-
deutschland dürfte man es übrigens auf die Eventualität einer Zollvereins-
kündigung um so ruhiger ankommen lassen. Sollte sie aber dennoch eintreten,
dann kann Ref. seine Befürchtung nicht verbergen, daß bei der vorausgesetzten
Gesinnung der Bundesvormacht auch von den jetzt gewährten Bedingungen
oder Vorbehalten, deren realer Werth zum Theil ohnehin den erheblichsten
Zweifeln unterliegt, bis Ende 1877 wenig mehr unzerrieben hinterblieben sein
dürfte. Jedenfalls vermöchte er eine Politik nicht zu begreifen, die, aus Furcht
vor einer gegen Ende des Jahres 1877 möglicherweise drohenden Gefahr, am
Ende des Jahres 1870 sich selbst ausgeben wollte.“ Der Bericht wendet sich
sodann zu dem Verhältniß zwischen der durch die Verträge vorgeschlagenen
deutschen Verfassung und der früheren Nordbundsverfassung, zu den an der
nordd. Verfassung (für alle Staaten) vorgenommenen Aenderungen und mißt
in dieser Hinsicht der Schaffung des diplomatischen Ausschusses wegen des nicht
activen Characters desselben ebenso wenig Bedeutung bei, wie der jetzt in
gewissen Fällen erforderlichen Zustimmung des Bundesraths zur Kriegserklärung
wegen des geringen praktischen Werthes einer solchen Festsetzung. In gerade
entgegengesetzter Richtung habe dagegen der Art. 7 über die Beschlußfassung
im Bundesrathe eine schwere Bedeutung dadurch erlangt, daß in die Bestimm-
ung, wonach die Beschlußfassung mit einfacher Mehrheit zu erfolgen habe, die
Worte „vorbehaltlich der Bestimmungen in den Art. 5, 37 und 78“ einge-
schoben worden seien. Denn durch diese drei Artikel (wonach bei Gesetzesvor-
schlägen über Militärwesen, Marine und gewisse Abgaben, sowie bei der Be-
schlußfassung über Ausführungsverordnungen im Falle der Meinungsver-
schiedenheit das Präsidium zu Gunsten des Bestehenden den Ausschlag gibt,
und wonach Veränderungen der Verfassung als abgelehnt gelten, wenn sie
14 Stimmen gegen sich haben) würden nach zwei Seiten hin Zustände der
Nordbundsverfassung herübergenommen, in welchen der Ausfluß des absolu-
tistischen Geistes und das charakteristische Merkmal des Militärstaates nicht
zu verkennen sei. Jeden Versuch einer Verfassungsänderung könne Preußen
mit seinen 17 Stimmen im Bundesrathe vereiteln, wonach selbst die durch
die Verträge erlangte höhere Garantie gegen Verfassungsänderungen hier als
ein zweischneidiges Schwert erscheine, und in den wichtigsten Gebieten der Gesetz-
gebung besitze es das absolute Veto zu Gunsten des status quo. „Referent,
heißt es dann weiter, stellt bei seiner Beurtheilung der Vorlage absichtlich nicht