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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
gesetzt sehen, auf den Standpunkt, den sie im September eingenommen und
nachher principiell verlassen hat, zurückzukehren, um von diesem Standpunkte
aus die Verhandlungen über ein den Zeitumständen entsprechendes näheres
Verhältniß zum norddeutschen resp. dem engern deutschen Bund wieder auf-
zunehmen.“ — Ein Nachtrag zu dem Jörg'schen Referate beschäftigt
sich mit den einzelnen Bemerkungen des Minderheitsgutachtens gegen den Bericht
des Referenten. Die Minderheit bestreite insbesondere die Behauptung, daß
eine Abminderung der Militärlast bloß von dem guten Willen der Krone
Preußens abhänge, und wolle beweisen, daß zur Verausgabung des Geldes
für das Heerwesen ein unter Mitwirkung des Reichstags zu Stande gekommenes
Etatsgesetz nothwendig sei. Diese Interpretation widerspreche schnurgerade dem
Wortlaute wie der Entstehungsgeschichte der einschlägigen Bestimmungen, wie
insbesondere aus der Motivirung derselben durch den Grafen Bismarck im
konstituirenden Reichstage hervorgehe, wonach eben vermieden werden sollte,
daß die Bundesarmee „durch ein jährliches Votum in Frage gestellt“ werde.
Wenn die Minderheit meine, die Bundesexecutive „könne“ sich über jene (zudem
unrichtig interpretirten) Vorschriften nicht hinwegsetzen, so stehe Dem doch der
Umstand gegenüber, daß von einer gesetzlichen Verantwortlichkeit des Bundes-
kanzlers und ebenso von dem Modus der Bundesexecution gegen Preußen,
wenn dieses im Widerspruch mit den Mehrheiten der Vertretungskörper sich
über die Verfassung hinwegsetzen wollte, nirgends die Rede sei. Zu der Be-
merkung, daß die bayerische Regierung im Ausschusse erklärt habe, sie werde
sich für ihre Voten im Bundesrath in Bezug auf Verfassungsänderungen oder
auf die Sonderrechte dem bayer. Landtag gegenüber verantwortlich fühlen,
weist Referent darauf hin, daß von einer vorherigen Erholung dieser Zu-
stimmung nicht die Rede gewesen sei. Zu der finanziellen Seite übergehend,
hält Referent die Ersparungshoffnungen der Minderheit für illusorisch. Der
vom Finanzministerium berechnete Mehraufwand stelle sich mit Berücksichtigung
der Thatsachen, daß der ordentliche Militäretat nicht blos um 1½, sondern um
4 Millionen erhöht werde und die angenommene Ersparniß am außerordent-
lichen Etat sehr problematisch erscheine, daß der Aufwand für die Marine sich
nicht vermindern, sondern vermehren werde, daß endlich die Ausgaben aus
der älteren Bundesschuld gar nicht in Anschlag gezogen seien, in Wirklichkeit
bedeutend höher heraus. Gleichwohl spreche das Minoritätsgutachten die Hoff-
nung auf Ersparungen aus und gründe dieselbe darauf, daß der eiserne Mili-
täraufwand von je 225 Thlrn. zwar bezahlt, aber ohne Specialetats nicht
verwendet werden dürfe. Abgesehen davon, daß ein solches Verbot in der
Bundesverfassung nirgends zu finden, sei es doch augenscheinlich, daß solche
Einreden etwa vom Starken gegen den Schwachen, aber wahrlich nicht vom
Schwachen gegenüber dem Starken zur Anerkennung gebracht werden könnten.
Kein Theil der Bundesverfassung sei mit solcher Sorgfalt gegen Aenderungen
gesichert, wie der wegen des eisernen Militär-Etats. Als man diese Ver-
schanzungen anbrachte, habe man sehr wohl gewußt, was und warum man es
that. Der Militarismus habe unantastbar sein sollen, möglichst für alle Zeiten.
Im bayerischen Staatshaushalte könnten nur sehr geringe Ersparungen, und
auch diese erst mit der Zeit, gemacht werden. Auf der andern Seite habe die
Abg.-K. Ersparungen am bisherigen Militäretat vornehmen wollen, um Mittel
für den unabwendbaren Mehraufwand anderer Zweige des Staatsdienstes zu
erhalten; die Möglichkeit einer Deckung dieses Bedarfs durch Ersparnisse am
Militäretat werde durch den Eintritt in den Bund für alle Zeiten aufgegeben.
Wenn man auf die Einführung neuer indirecter Auflagen hinweise, so sei Das
gleichgiltig; denn bezahlen müsse das Volk, sei es auf diese oder jene Weise.
Was die Vertröstung auf die Kriegsentschädigung betreffe, so stehe in dieser
Beziehung bis jetzt positiv und unzweifelhaft noch gar nichts fest als eine neue
Staatsschuld, zu deren Verzinsung und Amortisirung jährlich über drei
Millionen erforderlich, und eine ins Erschreckende gehende Vermehrung des