Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 81
auf diese Verfassung, welchen ich erst neuerlich wieder bei meinem Eintritt in
die Kammer der Reichsräthe geschworen habe, mich in der Unmöglichkeit be-
finde, die neuen Decrete und in deren nothwendiger Folge die Bullen Unam
sanctam und Cum ex apostolatus officio, den Syllabus Pius' IX. und so
viele andere päpstliche Aussprüche und Gesetze, die nun als unfehlbare Ent-
scheidungen gelten sollen und im unauflöslichen Conflict mit den Staatsgesetzen
stehen, anzusehen. Ich berufe mich in dieser Beziehung auf das Gutachten
der juristischen Facultät in München, und erbiete mich zugleich, es auf den
Wahrspruch jeder deutschen Juristen-Facultät, welche etwa Ew. Excellenz mir
bezeichnen würde, ankommen zu lassen.
„ Für die von mir vorgeschlagene, oder vielmehr erbetene Conferenz stelle
ich nur zwei Bedingungen, die erste: daß meine Angaben mit den etwaigen
Gegenreden zu Protokoll genommen und die Veröffentlichung desselben nach-
her gestattet werde. Die zweite: daß einem wissenschaftlich gebildeten Manne
meiner Wahl bei der Conferenz zugegen zu sein erlaubt werde. Sollte dies
in Fulda und vor den deutschen Bischöfen nicht erreichbar sein, so erlaube ich
mir ehrerbietigst eine andere Bitte vorzutragen. Geruhen Eure Excellenz aus
Mitgliedern Ihres Domkapitels eine Commission zu bilden, vor welcher ich
meine Sache in der eben bezeichneten Weise zu führen vermöchte. Mehrere
dieser hochwürdigen Herren sind Doctoren, und waren früher Professoren der
Theologie, zugleich auch ehedem meine Schüler. Ich darf hoffen, daß es
ihnen immerhin angenehmer sein wird, in einer ruhigen Besprechung mit mir
zu verkehren, mich, wenn möglich, mit Gründen und Thatsachen zu wider-
legen, als vom Richterstuhl herab geistliche Criminalsentenzen gegen mich zu
entwerfen, und sie dann Eurer Excellenz zur Fulminirung, wie man sagt, zu
unterbreiten. Wollen Eure Excellenz selbst bei der Conferenz den Vorsitz
führen, und sich herablassen, mich bezüglich meiner etwaigen Irrthümer in
Anführung und Auslegung von Zeugnissen und Thatsachen zurechtzuweisen,
so würde ich mir dies zu hoher Ehre rechnen, und könnte die Sache der
Wahrheit dabei nur gewinnen. Und wenn Sie die Anwendung Ihrer ober-
hirtlichen Gewalt an mir in Anssicht stellen, so darf ich mich doch wohl der
Hoffnung hingeben, daß es das schönste, edelste und wohlthätigste, das am
meisten Christus ähnliche Attribut dieser Gewalt sei, nemlich das Lehramt,
welches Sie zunächst an mir zu üben vorziehen würden. Werde ich mit Zeug-
nissen und Thatsachen überführt, so verpflichte ich mich hiemit, öffentlichen
Widerruf zu leisten, alles, was ich über diese Sache geschrieben, zurückzunehmen,
und mich selber zu widerlegen. Für die Kirche und den Geisterfrieden könnten
die Folgen in jedem Falle nur erwünscht sein. Denn es handelt sich hiebei
nicht bloß um meine Person. Tausende im Clerus, Hunderttausende in der
Laienwelt denken wie ich, und halten die neuen Glaubensartikel für unannehm-
bar. Bis heute hat noch kein einziger, selbst von denen, welche eine Unter-
werfungserklärung ausgestellt haben, mir gesagt, daß er wirklich von der
Wahrheit dieser Sätze überzeugt sei. Alle meine Freunde und Bekannten
bestätigen mir, daß sie die gleiche Erfahrung machen. „Kein einziger glaubt
daran,“ höre ich Tag für Tag aus jedem Munde. Eine Conferenz, wie die
von mir vorgeschlagene, und die Veröffentlichung des Protokolls wird daher
jedenfalls eine von Unzähligen ersehnte höhere Klarheit gewähren. Vielleicht
werden Eure Excellenz mich auf den unter ihrem Namen vor kurzem erschie-
nenen Hirtenbrief als auf eine Quelle verweisen, aus der ich hinreichende Be-
lehrung und Berichtigung meiner Meinung schöpfen könnte; aber ich muß
bekennen, daß er gerade die entgegengesetzte Wirkung auf mich hervorgebracht
hat, und ich mache mich anheischig, den Nachweis zu liefern, daß hier eine
lange Reihe von mißverstandenen, entstellten, verstümmelten oder erdichteten
Zeugnissen vorliegt, welche zusammen mit der Verschweigung gewichtiger That-
sachen und entgegengesetzter Zeugnisse ein der wirklichen Ueberlieferung völlig
unähnliches Bild entwirft. Gewiß hat Derjenige, den Eure Excellenz mit
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