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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glicder.
Reichsbeamten nur solche dienstliche Anordnungen von Vorgesetzten befolgt zu
werden brauchen, die innerhalb von deren Zuständigkeit sind und ebenso gegen
Delbrück, daß Reichsbeamte für ihre amtlichen Handlungen verantwortlich sein
sollen. Mit beiden Beschlüssen will der Reichstag die Reichslande und das
Publicum gegen die traurigen Erfahrungen schützen, welche die preußischen Be-
amteten und die preußischen Staatsangehörigen s. Z. in der Reaction mit
dem Disciplinargerichtshof und dem Competenzconflict gemacht haben. Von
Bedeutung ist auch der Beschluß, die Befreiung der Reichsbeamten von städti-
schen Steuern gesetzlich aufzuheben.
23. April. (Bayern.) II. Kammer: Die Kammer schließt die Budgetdebatte
24.
25.
ohne Steuererhöhung obwohl die Erhöhung der Beamtengehalte die
Höhe von 3 / Mill. fl. erreicht hat und trotz der größeren Ausgaben,
welche der Eintritt ins Reich verursacht hat.
Schon die Budgetvorlage für die IX. Finanzperiode hatte eine Erhöhung
der direkten Steuern um 50 Prozent in Aussicht genommen, und man war
allgemein der Ansicht, daß jenes Budget, bei dessen Feststellung es dem da-
maligen Landtage gelungen war, die Steuererhöhung abzuwenden, wohl das
letzte sein dürfte, welches ohne Vermehrung der Abgabenlast abschloß. Der
Entwurf des Finanzgesetzes für die X. Finanzperiode, den die Regierung im
Januar 1870 dem Landtage vorlegte, enthielt abermals die Forderung einer
Erhöhung der direkten Steuern und zwar um 30 Prozent. Der Ausbruch
des Krieges gegen Frankreich im Sommer desselben Jahres, der es bekannt-
lich nicht zu einer Durchberathung und Feststellung des Budgets kommen
ließ, rückte die projektirte Steuererhöhung wieder in die Ferne, indem durch
das vereinbarte Finanzgesetz vom 18. Febr. 1871 die früheren Budget= und
Steuersätze auf die X. Finanzperiode ausgedehnt wurden. Wieder machie sich
die Befürchtung einer Steuererhöhung geltend, als der gegenwärtige Landtag
im Herbste des verflossenen Jahres zusammentrat. Die Regierung glaubte
Angesichts der Vermehrung des Staatsbedarfes in ihrer Budgetvorlage eine
Erhöhung der direkten Steuern, diesmal blos um 10 Prozent nicht umgehen
zu können. Die Befürchtung erschien um so ernster, als im Verlaufe der
Landtagssession die Aufbesserung der Staatsdienerbesoldungen in Frage kam,
und von der Regierung hiefür über 3,000,000 fl. verlangt wurden. Doch
die Kammer wurde nicht nur dieser Forderung der Regierung in vollem Um-
fange gerecht, sondern bewilligte auch außerdem für die Zwecke des Unterrichtes
und der Bildung selbst noch bedeutend höhere Summen, als die Regierung
begehrt hatte, ohne der Bevölkerung ein größeres Maß von finanziellen Opfern
aufzulegen.
„ (Bremen.) Die Bürgerschaft beschließt auf den Antrag des
Senats mit 63 gegen 44 Stimmen den sofortigen Uebergang zur
Reichsgoldwährung und kommt so mit der Rechnung nach Mark mit
100 Pfennigen dem ganzen übrigen Deutschland bis auf Mecklen-
burg zuvor.
„ (Deutsches Reich.) Der Geschäftsträger des deutschen Reichs
am römischen Hofe, v. Derenthal, theilt dem Cardinal-Staatssecretär
vertraulich mit, daß der Kaiser den Cardinal Fürst Hohenlohe zum
Botschafter am römischen Stuhle zu ernennen geruht habe, so wie,
daß der (seit dem Concil sich in Deutschland aufhaltende) Cardinal
demnächst nach Rom zurückkehren werde, um sich zu vergewissern, daß
seine Ernennung dem Papste genehm sei und in diesem Falle das Be-
glaubigungsschreiben zu überreichen.