Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glicder. 
Reichsbeamten nur solche dienstliche Anordnungen von Vorgesetzten befolgt zu 
werden brauchen, die innerhalb von deren Zuständigkeit sind und ebenso gegen 
Delbrück, daß Reichsbeamte für ihre amtlichen Handlungen verantwortlich sein 
sollen. Mit beiden Beschlüssen will der Reichstag die Reichslande und das 
Publicum gegen die traurigen Erfahrungen schützen, welche die preußischen Be- 
amteten und die preußischen Staatsangehörigen s. Z. in der Reaction mit 
dem Disciplinargerichtshof und dem Competenzconflict gemacht haben. Von 
Bedeutung ist auch der Beschluß, die Befreiung der Reichsbeamten von städti- 
schen Steuern gesetzlich aufzuheben. 
23. April. (Bayern.) II. Kammer: Die Kammer schließt die Budgetdebatte 
24. 
25. 
ohne Steuererhöhung obwohl die Erhöhung der Beamtengehalte die 
Höhe von 3 / Mill. fl. erreicht hat und trotz der größeren Ausgaben, 
welche der Eintritt ins Reich verursacht hat. 
Schon die Budgetvorlage für die IX. Finanzperiode hatte eine Erhöhung 
der direkten Steuern um 50 Prozent in Aussicht genommen, und man war 
allgemein der Ansicht, daß jenes Budget, bei dessen Feststellung es dem da- 
maligen Landtage gelungen war, die Steuererhöhung abzuwenden, wohl das 
letzte sein dürfte, welches ohne Vermehrung der Abgabenlast abschloß. Der 
Entwurf des Finanzgesetzes für die X. Finanzperiode, den die Regierung im 
Januar 1870 dem Landtage vorlegte, enthielt abermals die Forderung einer 
Erhöhung der direkten Steuern und zwar um 30 Prozent. Der Ausbruch 
des Krieges gegen Frankreich im Sommer desselben Jahres, der es bekannt- 
lich nicht zu einer Durchberathung und Feststellung des Budgets kommen 
ließ, rückte die projektirte Steuererhöhung wieder in die Ferne, indem durch 
das vereinbarte Finanzgesetz vom 18. Febr. 1871 die früheren Budget= und 
Steuersätze auf die X. Finanzperiode ausgedehnt wurden. Wieder machie sich 
die Befürchtung einer Steuererhöhung geltend, als der gegenwärtige Landtag 
im Herbste des verflossenen Jahres zusammentrat. Die Regierung glaubte 
Angesichts der Vermehrung des Staatsbedarfes in ihrer Budgetvorlage eine 
Erhöhung der direkten Steuern, diesmal blos um 10 Prozent nicht umgehen 
zu können. Die Befürchtung erschien um so ernster, als im Verlaufe der 
Landtagssession die Aufbesserung der Staatsdienerbesoldungen in Frage kam, 
und von der Regierung hiefür über 3,000,000 fl. verlangt wurden. Doch 
die Kammer wurde nicht nur dieser Forderung der Regierung in vollem Um- 
fange gerecht, sondern bewilligte auch außerdem für die Zwecke des Unterrichtes 
und der Bildung selbst noch bedeutend höhere Summen, als die Regierung 
begehrt hatte, ohne der Bevölkerung ein größeres Maß von finanziellen Opfern 
aufzulegen. 
„ (Bremen.) Die Bürgerschaft beschließt auf den Antrag des 
Senats mit 63 gegen 44 Stimmen den sofortigen Uebergang zur 
Reichsgoldwährung und kommt so mit der Rechnung nach Mark mit 
100 Pfennigen dem ganzen übrigen Deutschland bis auf Mecklen- 
burg zuvor. 
„ (Deutsches Reich.) Der Geschäftsträger des deutschen Reichs 
am römischen Hofe, v. Derenthal, theilt dem Cardinal-Staatssecretär 
vertraulich mit, daß der Kaiser den Cardinal Fürst Hohenlohe zum 
Botschafter am römischen Stuhle zu ernennen geruht habe, so wie, 
daß der (seit dem Concil sich in Deutschland aufhaltende) Cardinal 
demnächst nach Rom zurückkehren werde, um sich zu vergewissern, daß 
seine Ernennung dem Papste genehm sei und in diesem Falle das Be- 
glaubigungsschreiben zu überreichen.
	        
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