Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 125
mit Normativbedingungen. Bei der Abstimmung siegen die erstern mit
58 gegen 25 Stimmen über die letzteren. Nach dem Antrage des
ständigen Ausschusses wird nämlich beschlossen:
„I. Das Recht der Notenausgabe soll in Zukunft für das ganze deutsche
Reich im Princip nur einer großen centralen Bank zustehen. Die bereits er-
theilten Notenprivilegien mögen zwar erhalten bleiben, indessen sollen neue
nicht mehr ertheilt, auch die bestehenden nicht erweitert werden. Sofern eine
Bank das Recht unbeschränkter Notenausgabe besitzt, muß dasselbe auf eine
dem gegenwärtigen thatsächlichen Geschäftsverkehr der Bank entsprechende
Summe herabgesetzt werden. II. Für die nach I. zu schaffende große centrale
Bank empfiehlt sich in allen wesentlichen Stücken die gegenwärtig der preußi-
schen Bank zukommende Organisation; es ist daher die preußische Bank in
eine „Allgemeine deutsche Reichsbank“ hinüberzuleiten. III. Nach vollendetem
Uebergange Deutschlands zur Goldwährung sollen Banknoten unter dem Be-
trage von 100 Mark (-— 33⅛ Thlr. = 58½ fl.) nicht mehr emittirt und
die umlaufenden eingezogen werden.“
Der Beschluß wird als ein characteristisches Mißtrauensvotum der
Geschäftswelt gegen die Privatzeddelbanken und als ein Ausbruch des
Unwillens über den vielfach von diesen getriebenen Mißbrauch be-
trachtet.
13.— 14. Mai. (Deutsches Reich.) Reichstag: genehmigt den Gesetzesentwurf
wegen Erhebung der Brausteuer mit einigen Modificationen in zweiter
Berathung, wobei nach Art. 58 der Reichsverfassung die Abgg. aus
Bayern, Württemberg und Baden abtreten. «
Der Antrag auf Abtreten der süddeutschen Abgeordneten wird von Mal-
linkrodt (clerical) gestellt, von der Fortschrittspartei und der deutschen Reichs-
partei lebhaft bekämpft, dagegen unterstützt, wenn auch mit schwerem Herzen,
von Lasker, der die Hoffnung auf allmäliges Verschwinden aller Neservatrechte
ausspricht, von Lamey (Baden) und Nömer (Württemberg) und schließlich
mit erheblicher Mehrheit angenommen.
14. Mai. (Deutsches Reich.) Reichstag: Zweite Berathung des Budgets
für 1873. Bennigsen bringt die Ablehnung des Cardinals Hohen-
lohe als deutschen Botschafters beim heil. Stuhle von Seite des
Papstes zur Sprache. Nede des Reichskanzlers über diese Ange-
legenheit.
v. Bennigsen: Im Titel 6 der Ausgabe findet sich eine Summe von
19,350 Thlr. ausgeworfen für die Gesandtschaft beim päpstlichen Stuhle in
Rom. Unter den Commissarien, welche diesen Etat unterzogen haben, wurde
die Frage aufgeworfen, ob diese Summe zu bewilligen sei. Ein Antrag auf
Absetzung der Forderung ist Ihnen von den Commissarien nicht gestellt.
Ueberwiegend machte sich die Ansicht geltend, daß es nicht die Aufgabe einer
Commission des Reichstages, auch kaum des Reichstages selbst sei, eine solche
Forderung für eine einzelne Gesandtschaft abzusetzen, so lange diese Forderung
seitens der Bundesregierung aufrecht erhalten wird. Was meine persönliche
Ansicht über diese Frage betrifft — und ich glaube mich da in voller Ueber-
einstimmung mit meinen politischen Freunden nicht allein, sondern mit vielen
Mitgliedern dieses Hauses zu befinden —, so würde ich den Wegfall dieser
Position sehr gern mit Freuden begrüßen. Zu dieser Auffaßung bewegen
mich nicht allein Vorgänge aus der neuesten Zeit. Unläugbar ist es freilich,
daß die Zurückweisung, welche das versöhnliche Entgegenkommen in der Er-
nennung eines Mitgliedes des Cardinal-Collegium selbst für den Gesandtenposten