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Das deutsche Reich und seine einjelnen Glieder.
bei dem päpstlichen Stuhle dort gefunden hat, die Neigung, diesen Gesandten-
posten seitens des Reichstages beizubehalten und zu dotiren, sehr wenig verstärkt
haben wird. Die Art, wie diese Ernennung, ein solches Entgegenkommen
zurückgewiesen ist, hat ja etwas Verletzendes, nicht allein für die Bundes-
regierung, nicht allein für den Leiter unserer auswärtigen Politik —; nein,
über ihn hinaus wendet sich diese Zurückweisung, diese Verletzung selbst gegen
das Oberhaupt des deutschen Neiches. (Widerspruch im Centrum. Sehr wahr,
sehr richtig! rechts und links.) M. HH.l! (zum Centrum gewendet) Wenn
Sie das nicht empfinden (nein, nein! im Centrum), daß darin etwas Ver-
letzendes liegt, wenn ein Gesandter, der mit Genehmigung des deutschen Kaisers
beim päpstlichen Stuhle designirt ist, dort zurückgewiesen wird, so glaube ich,
daß hier im Reichstage die große Mehrheit und gemeinsam das deutsche Volk
dies empfinden wird. (Zustimmung rechts und links; lebhafter Widerspruch
im Centrum.) Fürst Bismarck: Ich begreife zwar, daß der Gedanke in
der Bevölkerung entstehen kann, daß die Kosten für eine Gesandtschaft nicht
mehr erforderlich sind, wenn es sich nicht mehr um den Schutz deutscher
Unterthanen in den betreffenden Landestheilen handelt. Ich freue mich aber
doch, daß ein Antrag auf die Absetzung dieser Position nicht gestellt ist, denn er
würde der Regierung unwillkommen gewesen sein. Die Aufgabe einer Ge-
sandtschaft besteht ja einerseits in dem Schutze ihrer Landsleute, andererseits
doch aber auch in der Vermittlung der politischen Beziehungen der ver-
schiedenen Mächte, bei welchen die Gesandten accreditirt sind. Nun gibt es
keinen auswärtigen Souverän, der nach der bisherigen Lage unserer Gesetz-
gebung berufen wäre, so ausgedehnte und durch keine constitutionelle Verant-
wortlichkeit gedeckten Rechte innerhalb des deutschen Reiches auszullben, als
Se. Heiligkeit der Papst. Es ist daher von wesentlichem Interesse für das deutsche
Reich, wie dasselbe sich zum Oberhaupt der röm. Kirche, welches diesen wie
gesagt, so außerordentlichen umfangreichen Einfluß übt, wie es sich auf diplo-
matischem Wege dazu stellt. Ich glaube kaum, daß es einem Gesandten des
deutschen Reiches nach den jetzt in der katholischen Kirche maßgebenden Stim-
mungen gelingen würde, durch geschickte Diplomatie, durch Ueberredung einen
Einfluß auszuüben, der eine Modifikation der von Sr. Heiligkeit dem Papste
zu den weltlichen Dingen prinzipiell genommenen Stellung herbeiführen könnte.
Ich halte es nicht für möglich, daß nach den jetzt ausgesprochenen und öffentlich
promulgirten Dogmen die kath. Kirche mit einer weltlichen Macht zu einem
neuen Concordat gelangen könnte, ohne daß die weltliche Macht in einem gewissen
Grade afficirt wird, was das deutsche Reich wenigstenz nicht annehmen kann.
(Sehr wahr!) Dessen seien Sie sicher: nach Canossa gehen wir nicht,
weder in kirchlicher noch in staatlicher Beziehung. (Große Heiterkeit.)
Aber es kann sich Niemand verhehlen, daß die Stimmung innerhalb des deutschen
Reiches auf dem Gebiete des confessionellen Friedens eine gedrückte ist. Die
Regierungen des deutschen Reiches suchen für die Glaubensspaltung, welche die
katholischen und evangelischen Unterthanen scheidet, nach dem Mittel, in einer
Mmöglichst friedlichen, die Verhältnisse des Reiches Möglichst wenig erschütternden
Weise aus den jetzigen Uebelständen in bessere Zustände zu gelangen. Es
wird dies ja schwerlich anders geschehen können, als auf dem Wege der Ge-
setzgebung, und zwar auf dem Wege einer allgemeinen Gesetzgebung (Bravol),
zu welcher die Regierung nach meiner Ueberzeugung auch genöthigt sein wird,
die Thätigkeit. des NReichstages in Anspruch zu nehmen. (Bravol) Daß aber diese
Gesetzgebung in einer die Gewissensfreiheit durchaus schonenden, zurückhaltenden
zart verfahrenden Weise geschehen muß, daß dabei die Regierungen bemüht seien,
alle diejenigen Erschwerungen ihrer Aufgabe, die aus unrichtigen Berichterstattun-
gen, aus Mangel an den richtigen Formen hervorgehen können, das werden sie mir
zugeben, daß die Regierungen bemüht sein müssen, die richtige Stellung unseres
inneren Friedens auf die für die confessionellen Empfindungen — auch solche,
die wir nicht theilen — schonendste Weise herbeizuführen. Dazu gehört vor