Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. 131 
worden sei. Lebhafte Unterhandlungen zwischen allen anticlericalen 
Fractionen, um einen Beschluß mit möglichst großer Majorität zu er— 
zielen: in Folge davon Antrag Marquardsen. Bei der Abstimmung 
wird der Antrag des Abg. Mallinkrodt und der Clericalen mit 224 
gegen 73 Stimmen verworfen und der Antrag Marquardsen mit 205 
gegen 84 Stimmen angenommen. 
Anträge liegen vor: 1) Antrag der Commission (Sneist): „Der 
deutsche Reichstag wolle beschließen: die sämmtlichen oben bezeichneten Peti- 
tionen dem Herrn Reichskanzler mit dem Ersuchen zu Überweisen, aus dem 
Inhalt derselben es zur Kenntniß der verbündeten Regierungen zu brin- 
gen, in wie weitem Maße der Orden Jesu und die von ihm geleiteten Ein- 
richtungen und Vereine auf dem Boden des freien Vereinsrechts ihre Thätig- 
keit innerhalb des deutschen Reiches entwickelt haben, sowie mit der Auffor- 
derung, I. die verblndeten Negierungen zu veranlassen, sich über gemeinsame 
Grundsätze zu verständigen in Betreff der Zulassung religiöser Orden, in Be- 
treff der Erhaltung des Friedens der Glaubensbekenntnisse unter sich und 
gegen die Verkümmerung staatsbürgerlicher Rechte durch die geistliche Gewalt; 
insbesondere aber II. womöglich noch in dieser Session dem Reichstage einen 
Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen die Niederlassung von Mitgliedern der 
Gesellschaft Jesu und der ihr verwandten Congregationen ohne ausdrückliche 
Zulassung der betreffenden Landesregierung unter Strafe gestellt wird.“ 
2) Antrag von Lamey, Fürst von Hohenlohe-Schillingsfürst, 
Windthorst (Berlin), Dr. Völk, Dr. Meyer (Thorn), Kiefer, Eckhard: 
„statt Nr. II. des Antrags der Commission zu setzen: baldmöglichst einen Ge- 
setzentwurf vorzulegen, durch welchen den Mitgliedern der Gesellschaft Jesu 
und der ihr verwandten Congregationen die Errichtung von Niederlassungen, 
sowie die Ausübung geistlicher Functionen und der Lehrthätigkeit unter An- 
drohung von Strafe verboten wird.“ 
3) Abg. v. Mallinckrodt und das Centrum beantragen: „a. über die 
vorliegenden Petitionen zur Tagesordnung überzugehen; eventuell: b. die 
sämmtlichen Petitionen dem Hrn. Reichskanzler zu überweisen, mit dem An- 
heimgeben: 1) über die Haltung und Wirksamkeit der Jesuiten, während des 
mehr als zwanzigjährigen Aufenthalts derselben in den verschiedenen Gegenden 
des Neiches eingehende Erhebungen zu veranlassen, auf daß jede Beschuldigung 
wegen gesetzwidrigen oder staatsfeindlichen oder den Frieden der Confession 
störenden oder die Sittlichkeit gefährdenden Verhaltens auf ihre etwaigen that- 
sächlichen Unterlagen gestellt, und die Wahrheit der behaupteten Thatsachen 
geprlisft werde; 2) je nach dem Ergebnisse der Ermittelungen die Bestrafung 
der Schuldigen herbeizuführen, oder aber zur Genugthuung für schuldlos An- 
geklagte den Ungrund der Beschuldigungen zu constatiren. 
4) Abg. Wagener (Neustettin) und Dr. Lucius (Erfurt), unterstützt 
von der conserv. und der deulschen Reichspartei beantragen: „sämmtliche in 
dem sechsteu Petitionsbericht näher bezeichneten Petitionen dem Hrn. Reichs- 
kanzler zu Überweisen mit der Aufforderung: 1) darauf hinzuwirken, daß 
innerhalb des Reiches ein Zustand des öffentlichen Rechts hergestellt werde, 
welcher den religiösen Frieden, die Parität der Glaubensbekenntnisse und den 
Schutz der Staatsbürger gegen Verkümmerung ihrer Rechte durch geistliche 
Gewalt sicher stellt; 2) insbesondere einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher 
auf Grund des Art. 4 Nr. 16 der Reichsverfassung die rechtliche Stellung 
der religiösen Orden, Congregationen und Genossenschaften, ihre Zulassung 
und deren Bedingungen regelt, sowie die Thätigkeit derselben, namentlich der 
„Gesellschaft Jefu“, insoweit sie sich als eine staatsgefährliche darstellt oder 
sonst gegen die Reichs= und Staatsgesetze verstößt, unter Strafe stellt.“ 
5) Von Seiten der Democraten (Abg. Gravenhorst und Sonnemann) 
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