134 Das deutsche Reich und seine einjelnen Slieder.
ist mit der Staatshoheit unverträglich. Weder die Gesetzgebung noch ein
Staatsvertrag hat den katholischen Bischöfen der Monarchie jemals ein der-
artiges Recht eingeräumt. Gleich allen anderen Corporationen ist
auch die katholische Kirche Preußens den Staatsgesetzen unter-
worfen. Deren Befolgung ist eine der vornehmsten staatsbürgerlichen Pflich-
ten, und diesen darf durch Auslübung der Religionsfreiheit kein Abbruch ge-
schehen. (Artikel 12 der Verfassungsurkunde.) Die Obern der katholischen
Geistlichkeit werden überdies durch das Gesetz (A. L. R. II. 11. § 134) dem
Staate noch besonders zu vorzüglicher Treue und Gehorsam verpflichtet. Ew.
bischöfliche Hochwürden haben die Erfüllung aller dieser Pflichten in dem Sr.
Majestät dem Könige geleisteten Homagialeide gelobt. Die in dem Schreiben
vom 30. März ds. Js. bestrittene Souveränetät des Staats zweifellos zu
stellen, ist um so mehr für die königliche Staatsregierung geboten, als Ew.
bischöfliche Hochwürden durch die gegen Wollmann und Michelis erlassenen
Censurdecrete Ihrer grundsätzlichen Auffassung, daß kirchliche Verordnung über
Staatsgesetz gehe, thatsächliche Folge gegeben haben. Denn der ausgesprochene
Bann hat die bürgerliche Ehre der Betroffenen verletzt, und diese Verletzung
verstößt gegen die Staatsgesetze. Der § 57 A. L. R. II. 11 ist nicht
aufgehoben und findet in seinem wesentlichen Inhalte durch den Schlußsatz
des Artikels 12 der Verfassungsurkunde Bestätigung. Danach darf den bür-
gerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten durch die Ausübung der Religions-
freiheit kein Abbruch geschehen, und zu diesen Pflichten gehört es, sein Ver-
halten so einzurichten, daß die Ehre anderer Staatsangehöriger nicht beein-
trächtigt werde. Bei solcher Sachlage muß die königliche Staatsregierung
an dem Anspruche festhalten, daß mittels einer entsprechenden amtlichen
Kundgebung die Beeinträchtigung beseitigt werde, welche die DDr. Woll-
mann und Michelis durch die öffentliche Verkündigung der über sie verhängten
Excommunication an ihrer bürgerlichen Ehre erlitten haben, und einer Er-
klärung Ew. bischöflichen Hochwürden darlber entgegensehen, daß Sie ge-
willt seien, fsortan die Staatsgesetze in ihrem vollen Umfange zu
befolgen. Im Einklange mit einem Beschlusse des königlichen
Staatsministeriums ersuche ich Hochdieselbe ergebenst, demgemäß zu
verfahren. Wenn Ew. bischöfliche Hochwürden diese Forderung ablehnen,
so würde die Staatsregierung in Ihrer Weigerung, die Staatsgesehe zu be-
folgen, den Bruch der amtlichen Beziehungen erblicken, in welchen
Ew. bischöfliche Hochwürden als Bischof zu den amtlichen Organen des Staates
stehen, und würde demgemäß verfahren, insoweit es die gegenwärtige
Gesetzgebung gestattet, und wenn letztere zur Wahrung der staatlichen Rechte
gegen Beeinträchtigung der Staatshoheit und des bürgerlichen Friedens nicht
ausreichende Mittel gewähren sollte, der Landesvertretung die zu diesem
Zwecke erforderlichen Vorlagen machen.“
21. Mai. (Preußen.) Der Feldpropst (Armeebischof) Namczanowski ver-
bietet ohne Zuziehung der Militärbehörde oder auch nur Mittheilung
an dieselbe auf Grund einer eingeholten Entscheidung des Papstes dem
Divisionsprediger Lünemann in Köln die Ausübung aller priesterlichen
Functionen in der dortigen St. Pantaleonskirche so lange, als der
Mitgebrauch dieser Kirche Seitens der Altkatholiken nicht durch amt-
liche Mittheilung inhibirt sei, bei Strafe der Suspension.
„ (Bayern.) In Gunzenhausen beschließt eine Versammlung von
etwa 150 evangelischen Männern, größtentheils aus Mittelfranken,
die Gründung eines Vereins im Sinne der evangelischen Kirche gegen
den Bekenntnißzwang der sog. lutherischen Vereine und spricht den-