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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
weßhalb wir ihn heute in verkürzter Form einbringen. Wir haben auf den
Wunsch mehrerer Mitantragsteller, die wir nicht entbehren wollten, gleich im
Anfange ausgelassen die Worte „einschließlich der Gerichtsorganisation", was
auf den materiellen Inhalt ohne wesentlichen Einfluß ist. Die Grundzüge der
Gerichtsorganisation, soweit sie nothwendig sind, um die Proceßordnung ins
Leben zu rufen, gehören ohnedieß zur Competenz des Reichs, und wir hatten
nur, um jeden Streit über die Grenzpunkte der Competenz auszuschliceßen, jene
Worte mit aufgenommen. Dagegen ist das Mißverständniß verbreitet worden,
als ob wir durch die Aufnahme der Gerichtsorganisation eine zukünftige
Thätigkeit vorbereiten wollten, welche in den einzelnen Staaten die Behörden
selbst, ihre Beschaffenheit im Einzelnen, sogar bis herunter zur Bestimmung
des Sitzes der Behörden ordnen solle, und leider ist dadurch unser Antrag zu
einem politischen Stichwort geworden, indem Diejenigen, welche seinen Inhalt
nicht bestreiten können, so thun, als ob die Justizhoheit der einzelnen Staaten
vernichtet werden solle. Zu politischer Auffassung oder Leidenschaftlichkeit liegt
gar kein Grund vor. Ich bestreite nicht, daß durch unsern Antrag das Reich
eine gewaltige Befestigung erfahren wird, aber nur im Sinne seiner Siifter.
Dieser Antrag gehört zu denen, die unzweifelhaft, sei es früher oder später,
zur Verwirklichung bestimmt sind, und wir werden nie ermüden, ihn immer
wieder einzubringen. Von den verbündeten Regierungen glaube ich erwarten
zu dürfen, daß auch sie principiell sich dem Antrage nicht widersetzen werden.
Ich möchte von ihnen hören, daß auch sie die politischen Agitationen, welche
sich an diesen Antrag geknüpft haben, für unberechtigt erachten. Wenn das
der Fall ist, kann die Verwirklichung unseres Antrages keinen ernstlichen
Widerstand mehr finden. Es ist ein Irrthum, zu behaupten, es sei den ein-
zelnen Staaten nicht gestattet, mit Materien des bürgerlichen Rechtes sich zu
beschäftigen, sobald die Competenz darüber dem Reiche eingeräumt sei. Selbst
bei den zur Competenz des Reiches gehörenden Dingen sind die einzelnen
Staaten doch zur Gesetzgebung berechtigt in solchen Materien, mit denen sich
das Reich noch nicht beschäftigt hat. Wenn von anderer Seite als Concession
angeboten worden ist, von Fall zu Fall in die Gesetzgebung einzutreten, so
nenne ich das keine Concession, sondern das Programm der Gegner. Denn
das versteht sich von selbst, daß wir in allen Materien ohne jede Vorbereitung
von Fall zu Fall Gesetze machen dürfen; es ist dann nur nothwendig, daß
im Bundesrath nicht 14 Stimmen widersprechen. Wenn man andererseits
sagt, man wolle wohl ein gemeinsames Civilgesetzbuch machen, aber nicht die
Competenz zu einzelnen Civilgesetzen ertheilen, so heißt das die Frage auf 5,
6 oder wer weiß wie viele Jahre vertagen, und das ist mir genau ebenso
wenig werth, als jene Scheinconcession. Das Richtige ist, wenn wir uns nur
mit denjenigen Materien beschäftigen, welche sehr dringend sind. Wir wollen
insbesondere auch erreichen, daß wir bei einzelnen Gesetzen nicht in der Mitte
stehen bleiben müssen, weil plötzlich der Mangel der Competenz anfängt. Wir
können jetzt gar keine scharfe Grenze ziehen, wo unsere Competenz aufhört; so
sehr greifen Handels-, Obligationen= und Civilrecht in einander. Baye-
rischer Justizminister Dr. Fäustle: Es ist nicht zu verkennen, daß
der Antrag durch Weglassung der Gerichtsorganisation wesentlich gewonnen hat.
Diese war der bedenklichste Punkt; sie war aber auch nicht nöthig, denn der
größte Theil dessen, was zum Abschluß der Gerichtsverfassung für das Civil=
und Strafverfahren nothwendig ist, fällt bereits unter die Kategorie des Ge-
richtsverfahrens, und eine Frage, bei der man mit einem Fuße in der Ver-
fassung und mit dem andern außerhalb derselben slteht, kann man bei gutem
und nationalem Willen durch freie Vereinbarung ebenso leicht lösen als durch
das NRadicalmittel der Aufnahme der Gerichtsverfassung und damit der Ent-
ziehung der Justizhoheit der Einzelstaaten. Die bayerische Regierung erkennt
an, daß der Antrag in seiner Tendenz auf Ermöglichung einer gemeinsamen
deutschen Gesetzgebung sehr viele innere Berechtigung hat, daß er älter ist als