Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 179 
Souveränetät auf diesem Gebiet nicht anerkenne; 3) daß ich demgemäß 
die mir durch Gottes Wort auferlegte Pflicht, den Staatsgesetzen in vollem 
Umfange Gehorsam zu leisten, treu erfüllen werde. Ich spreche dieses mit 
derselben Aufrichtigkeit und Gewissenhaftigkeit aus, mit der ich andererseits 
bekenne, daß mir in Sachen des Glaubens und für die Wege des ewigen 
Heiles Gottes Offenbarung und Gesetz als alleinige und unumstößliche Norm 
gelten und ich hierin der Offenbarung unseres Herrn und Heilandes Jesu 
Christi und der Autorität seiner von ihm gestifteten und durch seinen heiligen 
Geist geleiteten Kirche ebenfalls ohne Rückhalt mich unterwerfe."“ 
5. Sept. Fürst Bismarck nimmt eine Adresse von Mitgliedern des engli- 
schen Oberhauses und Unterhauses so wie einer Anzahl Cleriker ent- 
gegen, die ihm ihre Sympathie in dem erneuerten Kampfe gegen die 
Suprematiegelüste des Papstthums ausdrücken: 
„.. Aber der Hauptzweck dieser Adresse ist, Ew. Durchlaucht zu versichern, 
daß wir, die schwierige Natur dieses Kampfes anerkennend, welcher viel Ge- 
duld, Weisheit, Ausdauer und Sinn für wahre Freiheit erforderl, bewundern, 
bis zu welchem Grade es Ihnen möglich gewesen ist, diese Eigenschaften in 
Ihrer Leitung des Kampfes an den Tag zu legen, und daß wir mit Ihnen 
in Ihren edlen und großen Zielen sympathisiren. Wir möchten auch zum 
Schluß unsere innige Hoffnung ausdrücken, daß der allmächtige Regierer der 
Menschen bald Europa von dem verderblichen Einfluß des Ultramontanismus 
befreie und daß durch Ihre Wirksamkeit Deutschland einen vordersten Platz 
einnehmen möge in der Aufrechterhaltung jener Principien, welche das einzig 
unfehlbare Haupt der Kirche ehren und Frieden und Eintracht unter den 
Völkern verbreiten.“" Antwort Bismarcks: „Diese Kundgebung hat um 
so höhern Werth, als sie aus einem Lande kommt, welches Europa in den 
letzten Jahrhunderten als Bollwerk der politischen und religiösen Freiheit 
schätzen gelernt hat. Sehr richtig würdigt die Adresse die Schwierigkeiten des 
Kampfes, welcher uns gegen den Willen und die Erwartung der deutschen 
Regierungen aufgenöthigt worden. Die Aufgabe des Staates, den confessio- 
nellen Frieden und die Gewissensfreiheit Aller gleichmäßig zu schützen, wülrde 
auch dann keine leichte sein, wenn sie den Regierungen nicht durch den Miß- 
brauch berechtigter Einflüsse, durch künstliche Beunruhigung gläubiger Ge- 
müther erschwert würde. Ich freue mich, mit Ihnen in dem Grundsatze ein- 
verstanden zu sein, daß in einem geordneten Gemeinwesen jede Person und 
jedes Bekenntniß das Maß der Freiheit genießen soll, welches mit der Frei- 
heit der Uebrigen und der Sicherheit und Unabhängigkeit des Landes verein- 
bar ist. In dem Kampfe für diesen Grundsatz wird Gott das deutsche Reich 
auch gegen solche Gegner schützen, welche seinem heiligen Namen einen Vor- 
wand für ihre Feindschaft gegen unsern inneren Frieden entnehmen.“ 
„ (Deutsches Neich.) Frankreich hat in Straßburg die erste Hälfte 
  
der dritten Milliarde vollständig bezahlt und erhält darüber Quittung. 
Die deutschen Truppen werden daher ungesäumt die Departements 
Marne und Haute Marne räumen. 
„ (Bayern.) Die Regierung verfügt nunmehr auch ihrerseits die 
Ausführung des Jesuitengesetzes in Bayern: 
„Den Angehörigen des Ordens der Gesellschaft Jesu ist die Ausübung 
einer Ordensthätigkeit insbesondere in Schule und Kirche nicht zu gestatten. 
Die Abhaltung von Missionen durch Jesuiten ist untersagt. Niederlassungen 
des Ordens der Gesellschaft Jesu dürsen in keinem Falle geduldet werden. 
Nichtbayerischen Angehörigen des Ordens der Gesellschaft Jefu ist der Auf- 
enthalt in Bayern in der Regel nicht zu gestatten. Keinem Jesuiten ist die 
Aufnahme oder Naturalisation gemäß § 6 des Reichsgesetzes vom 1. Juni 1870 
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