Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Das deutsche Reich und seine einjelnen Glieder. 187 
rechtsgiltig vornehmen. 5) Sofern die Beobachtung der liturgischen Vor- 
schriften, z. B. über die Feier der hl. Messe auf consecrirten Altären, Über 
die Segnung der kirchlichen Geräthe und Gewänder u. dgl., nicht möglich ist, 
sind dieselben nicht verpflichtend, da die Giltigkeit der liturgischen Acte von 
solchen Dingen nicht abhängt und auch nach dem formellen Rechte in Noth- 
fällen von jenen Vorschriften Umgang genommen werden kann. 6) Wo für 
die Feier des Gottesdienstes die Benutzung einer katholischen Kirche nicht zu 
erlangen ist, darf unbedenklich eine evangelische Kirche oder ein anderes Local 
benutzt werden. 7) An den herkömmlichen liturgischen Einrichtungen ist mög- 
lichst festzuhalten. Der Gebrauch der deutschen Sprache bei der Spendung 
der Sacramente und anderen kirchlichen Acten, z. B. bei der Beerdigung, ist 
in der Ausdehnung gerechtfertigt, in welcher er in verschiedenen Diöcesen rechl- 
mäßiges Herkommen ist oder war. Wo es angemessen erscheint, ist bei der 
Spendung der Taufe, der Beerdigung u. s. w. eine geeignete Anrede an die 
Anwesenden zu halten. 8) Die endgiltige Prüfung der tief gefühlten Miß- 
bräuche und die Durchführung der entsprechenden Reformen auf dem Gebiete 
der Disciplin und des Cultus bleibt den verfassungsmäßigen Organen der 
Kirche vorbehalten. Für jetzt wird eine heilsame und unbestreitbar berechtigte 
Reform schon dadurch erzielt werden, daß Stol-Gebühren, Meßstipendien u. dal. 
beseitigt, die Mißbräuche und Auswüchse des Ablaßwesens, der Heiligenver- 
ehrung, der Scapuliere, Medaillen u. s. w. vermieden werden. 9) Auch das 
ist eine heilsame Reform, daß von unseren Geistlichen in den Predigten alle 
Declomationen über kirchlich-politische Tagesfragen sowie alle Bitterkeiten gegen 
Andersgläubige vermieden werden. Indem der Priester die großen Wahr- 
heiten des Evangeliums zum Hauptgegenstande der Predigt und des sonstigen 
Unterrichts macht, wird er zugleich die wahrhaft christliche und katholische 
Gesinnung fördern und der Verständigung unter den Angehörigen der ver- 
schiedenen Confessionen vorarbeiten. 10) Es hängt von localen Bedürfnissen 
und Verhältnissen ab, ob die Vornahme geistlicher und gottesdienstlicher Hand- 
lungen auf einzelne Fälle zu beschränken oder eine regelmäßige Seelsorge mit 
Aufstellung eines Pfarrers und Gemeindevorstandes (Nr. 4) einzurichten ist. 
Wo Lenzteres geschieht, ist Alles zu vermeiden, was den Schein einer Trennung 
von der katholischen Kirche hervorrufen oder den Rechten auf das Vermögen 
und die kirchlichen Gebäude der bestehenden Gemeinden präjudiciren könnte. 
11) Zur Erzielung größerer Einigung und zur Vermeidung möglicher Miß- 
griffe wird den Local-Comités empfohlen, über die beabsichtigte Organisation 
der Seelsorge an das Central-Comité ausführlich zu berichten. 12) Bezüglich 
der kirchlichen Gültigkeit der Eheabschließung — hinsichtlich der Sicherstellung 
der bürgerlichen Gültigkeit derselben werden besondere Anträge vorbehalten — 
ist Folgendes zu bemerken: a. Nach dem geltenden kirchlichen Rechte hat die 
Consens-Erklärung der katholischen Brautleute regelmäßig vor dem zuständigen 
Pfarrer und zwei Zeugen zu geschehen, also dort, wo eine altkatholische Ge- 
meinde organisirt ist (Nr. 4), vor dem Pfarrer derselben oder einem von ihm 
bevollmächtigten Priester. b. Ist der zuständige Pfarrer durch Anerkennung 
der vaticanischen Neuerungen vom katholischen Glauben abgefallen, so genügt 
die Erklärung des Consenses vor zwei Zeugen, also auch die sogen. Civilehe 
zur Gültigkeit der Ehe. Die katholischen Brautleute werden aber in diesem 
Falle, um die herkömmliche Einsegnung der Ehe nicht zu entbehren, sich von 
dem Pfarrer der in der Nähe bestehenden altkatholischen Gemeinde, oder von 
einem andern Priester trauen lassen. 13) Für diejenigen Ehehindernisse, welche 
lediglich auf positivem kirchlichem Rechte beruhen und von denen regelmäßig 
dispenfirt zu werden pflegt, braucht unter den gegenwärtigen Verhältnissen eine 
bischöfliche oder päpstliche Dispensation nicht nachgesucht zu werden. Sie sind 
im Gewissen nur insoweit verbindlich, als nicht Gründer vorhanden sind, welche 
materiell die Dlspensation rechtfertigen würden. 14) Im Anschluß an Nr. 4 
der in München gefaßten Resolution wird erklärt, daß, solange wir nicht in 
 
	        
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