Das deutsche Reich und seine einfelnen Glieder. 195
ziehungen zwischen Meister und Lehrling dem Reichstage unterbreiten. Den
Antrag, den §. 110 der Gewerbeordnung, der von der Kündigungsfrist zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer spricht, zu streichen, lehnt die Versammlung
ab, spricht sich aber für obligatorischen Besuch der Fortbildungsschulen durch
die Lehrlinge aus.
25. Sept. (Preußen.) Der Cultminister Falk kündigt dem Bischof von
Ermeland die vom Staatsministerium beschlossene Temporaliensperre an:
„Unter dem 21. Mai d. J. sind Ew. b. Hochw. aufgefordert worden,
mittels einer entsprechenden amtlichen Kundgebung die Beeinträchtigung zu
beseitigen, welche die DDr. Wollmann und Michelis im offenen Widerspruch
mit der im §. 57 A. L.-N. II. 11 enthaltenen Vorschrift des Landesgesetzes
durch die öffentliche Verkündigung der Über sie verhängten Excommunication
an ihrer bürgerlichen Ehre erlitten haben. Insbesondere aber sah sich die
Staatsregierung gegenüber den Ausführungen des gef. Schreibens vom 30. März
d. J. genöthigt, eine unzweideutige Erklärung dahin zu fordern, daß Sie
gewillt seien, fortan die Staatsgesetze in ihrem vollen Umfange zu befolgen.
Diesen Aufforderungen gegenüber haben Ew. b. H. mittels gef. Schreibens
vom 15. Juni d. J. sich bereit erklärt, in einer besonderen Belehrung an die
dorligen Diöcesanen Ihre Ueberzeugung hervorzuheben, daß nach dem heutigen
Staats= und Kirchenrecht durch die Ausschließung aus der Kirche die bürger-
liche Ehre der Betroffenen nicht beeinträchtigt sei und überhaupt bürgerliche
Rechtsfolgen nicht hervorgerufen werden. Sodann haben Hochdieselben in der
zur Kenntniß der Staatsregierung gelangten Immedial-Antwort vom 5. d. M.
auf ein allerh. Handschreiben vom 2. d. M. erklärt, daß Sie die Ihnen durch
Gottes Wort auferlegte Pflicht, den Staatsgesetzen in vollem Umfange Ge-
horsam zu leisten, treu erflllen würden. Die Staatsregierung verkennt weder
das Entgegenkommende dieser Erklärungen, noch die Gesinnung, welche ihnen
zu Grunde liegt; das Bestreben nach einer Wiederherstellung des friedlichen
Verhältnisses zwischen Staat und Kirche würde sich mit den diesseitigen Wün-
schen um so mehr begegnen, als man diesseits selbst den Schein einer Be-
einträchtigung der katholischen Kirche oder einer Schädigung ihrer Interessen
zu vermeiden bemllht ist. Es geschieht nicht ohne aufrichtiges Bedauern, wenn
die Staatsregierung sich gleichwohl außer Stande sieht, in Ew. b. H. Er-
klärungen die Bürgschaften zu finden, welche sie im Interesse des Staates und
seiner Angehörigen zu fordern verpflichtet ist. Die in Aussicht genommene
Belehrung, welche Überdieß bisher nicht erfolgt ist, enthält die verlangte
Kundgebung nicht, und die Aeußerung in der Immediat-Antwort ist mit Er-
wägungsgründen und Zusätzen versehen, welche die unveränderte Festhaltung
Ihres Standpunktes darthun. Der Gegensatz zwischen den von Ew. b. H.
vertretenen staatsrechtlichen Anschauungen und den Grund-
prineipien des preußischen wie jedes andern Staatswesens be-
steht daher, ungeachtet der Hochdenselben gebotenen Gelegenheiten zur Aus-
gleichung, ohne die von uns gehoffte Lösung fort. Ew. b. H. sind wiederholt
davon in Kenntniß gesetzt worden, daß, wenn die von uns gesuchte Ausgleichung
nicht einträte, die Beziehungen der Staatsregierung zu Ihnen nicht unver-
ändert bleiben könnten. Die Staatsregierung vermag zunächst die Verant-
wortung dafür nicht weiter zu Übernehmen, daß aus den Mitteln des
Staats, dessen Gesetzen Sie sich nicht unbedingt unterwerfen,
für Ihren Unterhalt Zahlungen geleistet werden. Diese Zahlungen
sind vom Landtag in der Voraussetzung bewilligt worden, daß die Gesetze
und die Verfassung Preußens, auf deren Grund diese Bewilligungen erfolgten,
von den Empfängern der betr. Staatsgelder nach wie vor als für sie giltig
und verbindlich anerkannt würden. Sobald diese Voraussetzung, wie es durch
Ew. b. H. amtliche Erklärungen der Fall war, aufgehoben ist, wird unseres
Erachtens und bis zu weiterer Entscheidung die Berechtigung der k. Negierung
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