Das deutsche Reich und seine rinjelnen ölieder. 235
trotz der heftigen Opposition der in ihnen sitzenden Pfarrer, mit großer Mehr-
heit die HDand. In Niederbayern wird das Postulat dagegen abgelehnt.
5. Dec. (Preußen.) Die offiziöse Prov.-Corresp. äußert sich über den
erfolgten Pärsschub folgendermaßen:
„Dieser Schritt war nothwendig, zunächst um das Zustandekommen der
Kreisordnungsreform, für welche die Regierung des Königs ihre Autorität
eingesetzt hat, zu sichern, aber auch Über diesen nächsten Zweck hinaus, um
den festen Entschluß der Krone zu bekunden, die weitere nothwendige Ent-
wickelung der preußischen Einrichtungen nicht zum Stillstand bringen zu lassen.
Das Herrenhaus ist in dem Zusammenhange unserer Staatseinrichtungen
allerdings dazu berufen, einem überstürzenden Drängen zu Neformen einen
heilsamen Widerstand leisten und in solchem Geiste auch der Kronc unberech-
tigten Zumuthungen des Abgeordnetenhauses gegenüber zur Stütze zu dienen;
aber nimmer kann es die Aufgabe eines Oberhauses in dem königlichen Preu-
ßen sein, sich auch solchen Veränderungen und Verbesserungen der Gesetzgebung
hindernd entgegenzustellen, welche im Nathe der Krone seit geraumer Zeit
reiflich erwogen und als nothwendig erkannt worden ...Daß Letteres in
Bezug auf die jetzt beabsichtigte Verwaltungsreform der Fall ist, darüber
konnte Niemand im Zweifel sein... Die Regierung des Königs ist es daher
sich selbst und dem Lande, sie ist es auch dem Abgeordnetenhause, welches mit
einer seltenen Einmüthigkeit fast aller Parteien auf die Absichten und Gesichts-
punkte der Regierung eingegangen ist, schuldig, das Gelingen der allseitig vor-
bereiteten Reform und deßhalb die Vorlage in ihrer nunmehr vereinbarten
Gestalt nicht wieder in Frage stellen zu lassen. Die Krone hat aber bei dem
Gebrauche ihres Rechts zugleich eine Rücksicht auf die Ueberzeugungen der bis-
herigen Mehrheit des Herrenhauses selbst geülbt. Es hat freilich an Versuchen
aus den bisher widerstrebenden Kreisen des Herrenhauses nicht gefehlt, den
Gebrauch jenes außerordentlichen Rechtes Seitens der Krone dadurch abzu-
wenden, daß eine veränderte Haltung des Hauses in seinem bisherigen Be-
stande in Aussicht gestellt wurde. In der That liegen Anzeichen vor, daß ein
Theil der bisherigen Mehrheit sich nur durch irrthümliche Gerüchte über die
Auffassungen und Wünsche innerhalb der Regierung selbst zur Theilnahme
an den schroffen Beschlüssen des Hauses hatte bestimmen lassen, daß dagegen
jetzt, wo über die entschiedenen Absichten der Regierung kein Zweifel mehr ob-
waltet, die Zahl der ausdrücklich Widerstrebenden sich erheblich vermindern werde.
Aber abgesehen von der politischen Unmöglichkeit, den Entwurf der Kreisordnung
noch einmal den Abänderungsversuchen einer zweifelhaften Mehrheit preiszu-
geben, hielt es die Regierung des Königs auch der Würde des Herrenhauses
selbst mehr entsprechend, daß die veränderten Beschlüsse von vornherein unter
der Mitwirkung neu berufener Mitglieder gefaßt würden, als unter dem an-
scheinenden Zwange einer fortdauernden Drohung gegen das Haus. Wenn
auch die versöhnlicheren Stimmungen vieler Mitglieder nicht ohne jeden Ein-
fluß auf die Entschließungen der Regierung bleiben konnten, so erschien es doch
im Interesse aller Theile geboten, die Hoffnungen und Erwartungen in Bezug
auf die neue Berathung nicht ausschließlich oder vorzugsweise auf jene innere
Umstimmung zu gründen."“
6.— 7. Dec. (Preußen.) Herrenhaus: Debatte über die Kreisordnungs-
vorlage. Die Feudalen bekämpfen dieselbe mit Erbitterung. Das
erste Amendement, welches sie stellen und das der Minister des Innern
für unannehmbar erklärt, wird in namentlicher Abstimmung mit 114
gegen 87, also mit einer Mehrheit von 27 Stimmen verworfen. Zwei
weitere Amendements werden ebenfalls abgelehnt, worauf sie alle wei-
teren Amendements zurückziehen und auf jede fernere Diseussion ver-