Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 237
ralismus; wir haben es offen ausgesprochen, daß wir darum die Hoffnung
auf die Rückkehr der depossedirten Fürsten zu dem Thron ihrer Väter nicht
aufgegeben haben."“ Die Hoffnung zu erhalten und zu verbreiten, erachtet die
Partei für ihr erstes Ziel und ihre wichtigste Aufgabe, mit der sie sich vor
Valerland, Gerechtigkeit und Fortschritt legitimiren will. Es sei, schreibt das
genannte Blatt weiter, wiederholt an die Parteigenossen die Warnung er-
gangen, gelindere Saiten aufzuspannen., da man demnächst mit Rücksicht auf
den „bis zu den höchsten Regionen gedrungenen Scandal“ mit aller Strenge
vorgehen werde; man könne und werde sich jedoch hierum nicht kümmern.
8. Dec. (Preußen.) Vorgehen der Regierung gegen den Erziischof Le-
dochowski von Posen.
Der Erzbischof erließ am 17. Sept. einen Hirtenbrief, durch welchen ein
Weihgottesdienst angeordnet wurde, um die Erzdiöcese Posen-Gnesen unter den
Schug des füßesten Herzens Jesu zu stellen. Der Hirtenbrief behauptet u. a.:
edaß die Kirche Christi überall verfolgt und ihr Ansehen mißachtet sei.“ Und
nachdem das ganze Culturleben der heutigen Gesellschaft als Sünde, Verirrung
und Bosheit gebrandmarkt worden, sagt der geistliche Oberhirt: „Mit
Schmerzen sehen wir die sich mit jedem Tage mehrenden Schwierigkeiten, un-
seren katholischen Kindern eine katholische Erziehung zu geben, mit Schmerzen
sehen wir die Vertreibung der frommen und erleuchteten Klostergeistlichkeiten,
deren gewissenhafte und hingebende Thätigkeit so viele wohlthätige Früchte ge-
bracht hat.“ Die Staatsregierung ließ die katholischen Religionslehrer und
Direktoren von katholischen Lehranstalten vom Provincial -Schul-Collegium
wegen Verlesung des Hirtenbriefes verantwortlich vernehmen. Gegen den ka-
tholischen Religionslehrer am Posener Seminar wird die Dissciplinarunter-
suchung wegen eigenmächtigen Vorgehens bei Verlesung des Hirtenbriefs ein-
geleitet. Die Gymnasialkirche in Posen und alle vom Staat ressortirenden
katholischen Kirchen der Archidiöcese Posen und Gnesen werden am Sonntag
geschlossen, und nicht geduldet, daß man in denselben um Befreiung „von den
Verfolgungen der gegenwärtigen Staatsgewalt“ bitte.
9. „ (Mecklenburg.) Landtag: Verlesung des Comitteberichts in der
Verfassungsangelegenheit.
Derselbe ist sehr umfänglich. Die ritterschaftlichen Mitglieder der Com-
mitte sprechen sich darin für weitere Verhandlungen auf Grund der von den
Regierungen vorgeschlagenen Modificationen der Verfassung, sobald die Regie-
rungen sich hierlber unter sich vollständig geeinigt haben würden, aus, während
von den landschaftlichen (bürgerlichen) Mitgliedern die reine Ablehnung der
ganzen Proposition empfohlen wird. Im Einzelnen ist daraus zu bemerken,
daß, was die Landesvertretung betrifft, die Bürgermeister, mit Ausnahme eines
einzigen, welcher sich der ritterschaftlichen Ansicht von der principiellen Zulässig-
keit der Errichtung eines, vielleicht einem oder dem andern der beiden bestehen-
den Stände zu incorporirenden dritten Standes angeschlossen hat, sich auf die
bei Gelegenheit der commissarisch-deputatischen Verhandlungen abgegebene, auf
ein modernes Repräsentativsystem hinzielende Erklärung zurückbeziehen. Den
Verzicht auf das unbeschränkte landesherrliche Gesetzgebungsrecht in den Do-
manien räth die Comitte auch für den Fall zu acceptiren, daß die Verfassungs-
änderung nicht zu Stande kommen sollte, wogegen sie der Meinung ist, daß
es in Ansehung der sog. gleichgiltigen Sachen, wobei die landesherrliche Ge-
setzgebung nur an die Einholung des rathsamen Bedenkens, nicht an die Zu-
stimmung der Stände gebunden ist, hierbei verbleiben müsse, falls die Regie-
rungen auf dem Wegfall der itio in partes bei Geldbewilligungen aus ge-
meinsamen Landesmitteln beharren sollten. Große Verschiedenheit waltet in
den Ansichten der Committe über die finanziellen Punkte der Regierungsvor-
lage ob. Während von den ritterschaftlichen Mitgliedern drei unter sich wieder