Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 243
den 21. December 1871. Wilhelm. Fürst v. Bismarck. An den Präsidenten
des Staatsministeriums Fürsten v. Bismarck."“
Preußische Blätter machen darauf aufmerksam, daß nach dem obigen Texte
der Cabinetsordre bei der Uebertragung der Funktionen vom Fürsten Bismarck
auf seinen Nachfolger das Wort „Ministerpräsidentschaft“ verloren gegangen
und nur der „Vorsitz im Staatsministerium“ übrig geblieben sei und daß es
scheine, als müsse man darin, wie in der Nichtnennung des Grafen Roon —
es ist nur schlechthin von „dem ältesten Minister" die Rede — die Absicht,
die Stellung des Vorsitzenden im Staatsministerium etwas herabzudrücken,
erblicken. Selbst die Prov.-Corr. hebt die Veränderung ausdrücklich hervor.
21. Dec. (Preußen.) In Posen werden drei Missionspriester auf Grund
2
23.
26.
des Jesuitengesetzes ausgewiesen.
„ (Mecklenburg.) Vertagung des Landtags. Es bleibt vorerst
ungewiß, ob die Regierung die beabsichtigten Verfassungsmodificationen
fallen lasse oder ob sie versuchen werde, beide Stände zu einem gemein-
schaftlichen Beschlusse zu vermögen, der wenigstens eine Fortsetzung der
Verhandlungen auf commissarisch-deputatischem Wege ermöglichen würde.
„ (Hessen.) Eröffnung des Landtags. Thronrede des Großherzogs:
ü„Meine Herren Stände! Ich habe Sie dießmal zur Eröffnung des Land-
tags um Mich versammelt, weil Ich Ihnen persönlich auszudrücken wünschte,
welche hohe Wichtigkeit IJch den Aufgaben beimesse, die Sie in der bevor-
stehenden Session zu bewältigen haben werden. Wenn auch ein ansehnlicher
Theil der Staatsaufgaben an das deutsche Reich übergegangen ist, wie dieß
zur Behauptung der nationalen Stellung und zur Förderung der Wohlfahrt
Deutschlands nothwendig war, so werden Sie doch aus dem Umfang und der
Bedeutung der an Sie gelangenden Vorlagen erkennen, daß den einzelnen
deutschen Staaten noch ein weites Gebiet segensreicher Wirksamkeit und selbst-
ständiger Entwicklung geblieben ist, zu dessen Pflege es der umsichtigen und
hingebenden Mitwirkung der Stände dringend bedarf. Den Zusagen gemäß,
die auf dem vorigen Landtag von Meiner Regierung gemacht worden sind,
wird eine Reihe von Gesetzesvorlagen Ihrer Berathung und Beschlußfassung
unterbreitet werden. Die bereits ausgearbeiteten Entwürfe eines Gesetzes über
die innere Verwaltung und Vertretung der Kreise und der Provinzen, einer
Städteordnung und einer veränderten Landgemeindeordnung haben den Zweck,
der Bevölkerung eine erweiterte Theilnahme an den Geschäften der Staats-
verwaltung, den Gemeinden eine freiere Bewegung in der Verwaltung ihrer
eigenen Angelegenheiten einzuräumen. Ein Gesetz Über die Verhältnisse der
Volksschulen soll diesen wichtigen Zweig des öffentlichen Lebens, unter Fest-
haltung des Grundsatzes, daß die Leitung des Volksschulwesens dem Stüat
obliegt, zeitgemäß regeln. Tuch über die rechtliche Stellung der Kirchen und
kirchlichen Vereine im Staat ist ein Gesetzentwurf in der Ausarbeitung be-
griffen, der Ihnen im Laufe der Sitzungsperiode vorgelegt wird. Ich
wünsche lebhaft und hoffe zuversichtlich, daß es Ihnen, Meine Herren Stände,
gelingen wird, die großen Aufgaben, welche Ihnen gestellt sind, in Ueberein-
stimmung mit Meiner Regierung zum Segen des Landes zu erledigen. Meines
landesherrlichen Wohlwollens wollen Sie sich versichert halten.“
„ (Hessen.) II. Kammer: erklärt sich in ihrer Antwortadresse auf
die Thronrede einstimmig bereit, den Großherzog in seinem Streben
nach Erhaltung und Kräftigung des deutschen Reichs zu unterstützen.
„ (Deutsches Reich.) Die Reichsregierung stimmt Frankreis
bezüglich seines nunmehrigen Wunsches nach Aufhebung des Paßzwar,
16“