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Oesterreich-Angarn.
die sämmtlichen Petitionen an das Ministerium zur eingehenden Prüfung
und Würdigung der darin geschilderten Zustände abzutreten, dasselbe aber
zugleich aufzufordern, die unterflehenden politischen und Justizbehörden zur
genauen Ueberwachung der durch den Mißbrauch der Kanzel von Seiten des
Clerus begangenen Strafgesetz-Verletzungen und zur sofortigen Handhabung
der bestehenden Strafgesetze anzuweisen; auch wird das k. k. Ministerium drin-
gend angegangen, die in der allerh. Thronrede vom 28. Dez. 1871 in nächste
Aussicht gestellten, durch Lösung der mit dem heil. Stuhle bestandenen Con-
vention in Bezug auf die Verhältnisse zwischen der katholischen Kirche und der
Staatsgewalt nothwendig gewordenen Gesetzesvorlagen zur verfassungsmäßigen
Behandlung einzubringen.
22. März. (Ungarn.) Unterhaus: Der parlamentarische Skandal bez. der
23.
Wahlgesetzvorlage dauert fort. Eine Conferenz der Deak-Partei mit
der Linken bleibt resultatlos.
„ (Oesterreich.) Reichsrath: Beide Häuser genehmigen die Er-
höhung des Friedensstandes der Cavallerie.“
„ (Oesterreich: Böhmen.) Beginn der Wahlagitation für den Land-
tag. Ein Wahlaufruf der Feudalen wird von der Regierung mit
Beschlag belegt. Gegen den Versuch, einzelne Grundeigenthümer durch
Volksmassen zur Stimmabgabe in czechischem Sinne zu pressen, muß
Militär verwendet werden. Die patriotisch-ökonomische Gesellschaft,
die von den Feudalen als Agitationsmittel benützt werden soll, wird
aufgelöst.
12. April. (Ungarn.) Unterhaus: Die am 22. Febr. begonnene, durch
16.
den parlamentarischen Skandal der beiden Linken so lange hinge-
zogene Wahlgesetzdebatte kommt endlich doch zum Schluß und wird
der erste Paragraph derselben mit einer Majorität von 44 Stimmen
angenommen.
Der Sieg der Deak-Partei ist indeß ohne praktischen Werth. Das Gesetz
kommt doch nicht mehr zu Stande und die beiden Linken haben ihren Zweck
doch erreicht. Der Präsident theilt mit, daß der König den Reichstag Dienstag
in der Burg zu Ofen schließen werde. Madarasz erklärt hierauf im Namen
der ganzen Achtundvierziger-Partei, daß er, solange die schwarz-gelbe Fahne
auf der Burg wehe, nicht nach Ofen gehen werde. Ueberdieß gebicte das
Gesetz, daß der Reichstag in Pesth geschlossen werde.
„ (Oesterreich: Böhmen.) Die Regierung fährt fort, der feudal-
national-clericalen Agitation für die Landtagswahlen sehr energisch ent-
gegenzutreten. Die verfassungstreue Partei macht große Anstrengungen,
sich die Majorität im (den Ausschlag gebenden) Großgrundbesitze zu sichern.
„ (Oesterreich.) Der Gemeinderath von Wien erklärt sich mit
allen gegen 2 clericale Stimmen für die Ausweisung der nach Oester-
reich nicht zuständigen, in Oesterreich sich aufhaltenden Jesuiten.
„ (Ungarn.) Schluß der Session des Landtags: Thronrede des
Kaisers. Zu großer Befriedigung der Ungarn wird auch das diplo-
matische Corps in Wien zu der Feierlichkeit eingeladen.
Die Thronrede weist auf den vor drei Jahren perfönlich durch den Kaiser
eröffneten Reichstag hin und hebt hervor, daß die beide Hälften der Monarchie