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Oesterreich-Ungarn.
mittelbar an die Regierung gekommenen Petitionen sich durch Versöhnlichkeit
ihrer Haltung auszeichnen und doß sie, wenn gleich in Wahrung des bekannten
kirchlichen Standpunktes, nicht auf eine Abänderung der bestehenden Gesetze
gerichtet sind, sondern die Bestimmungen dieser Gesetze zum Ausgangspunkte
der geäußerten Wünsche nehmen. Was deren weitere Behandlung anbelangt.
so kann ich versichern, daß die Regierung bei pflichtgemäßer, eingehender Prü-
fung der Eingaben an den Schulgesetzen nach Wort und Sinn treu fest-
halten wird. Es ist sehr schön, an das Wort „freie Kirche im freien
Staate“ anzuknüpfen, um sich ein ideales Bild von diesen Verhältnissen zu
schaffen. Es ist recht schön, in dieser Beziehung — Sie erlauben mir es ge-
rade zu sagen — Phrasen an die Stelle von bestimmt formulirten Normen
zu setzen. Es haben sich die Regierungen der vorgeschrittensten Völker Eu-
ropa's Jahre, Jahrzehnte lang mit Fragen beschäftigt, welche nach Auflösung
des Concordats nun der Lösung harrcn. Wollen Sie der Regierung zumuthen,
daß sie jetzt, wo sie eben sich erst zu consolidiren in der Lage war, jetzt, woa
es darauf angekommen ist, der Regierung endlich ein der Verfassung ent-
sprechendes Parlament gegenüberzustellen, baß sie jetzt schon ohne eingehende
Prüfung der Verhältnisse, ohne Berücksichtigung aller derjenigen Schwierig=
keiten, welche bei der Lösung dieser so wichtigen Fragen entstehen, sofort und
leichthin irgend eine Vorlage gemacht hätte? Höätten Sie nicht in dieser Be-
ziehung dann selbst einen Zustand der Regierung in die Schuhe geschoben,
welcher jetzt schon im Voraus als ein verfahrener Karren bezeichnet wird!?
Eben wir wollen vermeiden, daß der Karren nicht verfahren werde, aber
darum mülssen Sie uns Zeit zur Consolidirung lassen.“ — Die liberale Presse
kann inzwischen in der Eingabe der Bischöfe ein versöhnliches Entgegenkommen
kaum erkennen und findet die Erklärung des Cultministers, daß von den Schul-
gesetzen nichts geopfert werden solle, recht tröstlich, nur sei es schlimm, daß
diese Schulgesetze bis jetzt größeren Theils nur auf dem Papier ständen, also
die thatsächlichen Verhältnisse derart seien, daß man dem Clerus keine Zuge-
ständnisse zu machen brauche, sondern dessen volle Zufriedenheit ernte, wenn
man es so beim Alten lasse. Die Aeußerungen des Ministers legten sogar
die Vermuthung nahe, daß zwischen der Regierung und dem Card. Rauscher
dießfalls geradezu eine Art Abkommen getroffen worden sei.
23. Mai. (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: Verfassungsausschuß
über die galizische Frage. Die Regierung geht damit um, noch bevor
dies Ausgleichs = Elaborat an den Reichstag gelangt, den galizischen.
Landtag zu einer Aeußerung über dasselbe zu veranlassen
Erklärung des Ministerpräsidenten: „Die Regierung hat beim
Wiederzusammentritt des Reichsrathes die verschiedenen Eventualitäten in'’s
Auge gefaßt, die bei der Behandlung der galizischen Angelegenheiten eintreten.
können, und zwar in der Absicht, die Sache rasch vorwärts zu bringen.
Sie hat auch die Frage des Zusammentritts, sei es aller Landtage, sei es des
galizischen allein, in Erwägung gezogen. Dabei beschäftigt sie auch der Ge-
danke, daß dem galizischen Landtage die Gelegenheit gegeben werden könnte,
sich über die ihm zu machenden Concessionen gutachtlich zu äußern. Einen
Beschluß in dieser Richtung hat jedoch die Regierung nicht gefaßt, und konnte
ihn auch nicht fassen, weil sie nicht vorhersehen kann, wie weit die Angelegen-
heit in beiden Häusern noch gebracht werden wird; sollte die Regierung aber
auch ein Gutachten vom galizischen Landtag begehren, so wird damit weder
den Beschlüssen des Reichsrathes vorgegriffen, noch dadurch die begehrte In-
artikulirung in die Landesordnung aufgegeben, an der die Regierung stets
offen und unumwunden festgehalten hat. Auf alle Fälle kann ich den Herren
die Versicherung geben, daß es der Regierung nicht einfallen kann, etwas zu
unternehmen, was gegen das Verfassungsrecht wäre, oder über die Competenz
der Regierung hinausginge. Was die Beunruhigung der Gemüther anbelangt,