Oesterreich-Ungarn. 269
so muß die Regierung die Verantwortung dafür jenen Elementen zuschieben,
die eben eine fortwährende Hetze in Scene setzen müssen, um bei der Bevölke-
rung das Vertrauen zum Ministerium zu untergraben. Treu dem Wahl-
spruch: „Der Zweck heiligt das Mittel“, werden dazu alle nur möglichen
Verdächtigungen gebraucht, um als Oster= oder Pfingstgeschenk dem Publikum
offerirt zu werden. Einmal ist es ein kleiner Verfassungsbruch oder ein ge-
heimer Pact, dann eine Uneinigkeit im Schoße des Ministeriums, eine Minister-
krisis. Zeigt sich nach kurzer Zeit die Unwahrheit solcher Gerüchte, so sagt
man einfach: die Regierung wende alles an, um das abzuläugnen und zu
vertuschen, was gegen ihren Willen in die Oeffentlichkeit gelangt ist. Wenn
daher die Angst vor dem Verfassungsbruch die Gemüther beunruhigt hat, so
kann ich den hohen Ausschuß versichern, daß dieser Verfassungsbruch von der
Regierung so gut vertuscht worden ist, daß er im Schoße des Ministeriums
nicht einmal empfangen, viel weniger geboren wurde."“
25. Mai. (Oesterreich: Böhmen.) Furchtbare Wassernoth, hauptsächlich
auch in dem czechischen Theile des Landes. In Wien constituirt sich
aus den Reihen der Verfassungspartei ein großes Hilfscomité.
„ (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: Der Ausschuß beschließt
auf den Antrag Rechbauer's mit 5 gegen 4 Stimmen, dem Hause
die Ablehnung der von der Regierung eingebrachten Novelle zum Land-
wehrgesetz zu beantragen. Die Regierung, um einen Druck auf das
Abg.-Haus auszuüben, erklärt, bezüglich dieser Angelegenheit die Ca-
binetsfrage stellen zu müssen.
Die wesentlichste Bestimmung der Novelle geht dahin, die Stärke der cis-
leithanischen Landwehr, Tirol und Vorarlberg mit ihrer selbstständigen Or-
ganisation ungerechnet, auf 81 Bataillone Infanterie, je 1 oder 2 Schwadronen
für jeden Ergänzungs-Bezirk eines Cavallerieregiments und eine Abtheilung
berittener Schützen festzusetzen; sie verfügt sodann schon im Frieden die Auf-
stellung von Bataillons= und von Cavallerie-Instruktions-Cadres. Der betref-
fende Ausschuß erachtet nun die bisherige Organisation der Landwehr als voll-
kommen zweckentsprechend und will demgemäß über die Regierungsvorlage um
so mehr zur Tagesordnung übergehen, als dieselbe einen jährlichen Mehrauf-
wand von stark. 1 Million Gulden bedingen würde.
(Ungarn: Croatien.) Die Landtagswahlen sind im Ganzen zum
Nachtheil der Regierung in Pesth ausgefallen. Das Verhältniß der
Nationalen zu den Unionisten ist bei den 75 Gewählten ungefähr wie
3 zu 2.
Die Hoffnungen, welchen man sich hingab, durch den entschieden unionisti-
schen Banus-Stellvertreter Vacanovich eine unionistische Landtagsmehrheit zu-
sammenzubringen, haben sich nicht erfüllt; der Banus-Stellvertreter hatte den
Vogen allzu straff gespannt, so daß schließlich Theile der eigenen Partei ab-
fielen und ihn im Stiche ließen. Die Unionisten werden im Landtag etwa 25,
die nationale Partei etwa 51 Stimmen besitzen. In Slavonien wurden die
unionistischen Candidaten jetzt, wie auch bei den früheren Wahlen, sämmtlich
durchgebracht, dafür erlitt die Regierung in den croatischen Comitaten, wie
nicht minder in dem ehemaligen Bellovarer Comitat — ehemal. Regiments-
bezirk — eine Niederlage nach der andern. In Agram selbst wurden die drei
Candidaten der Unionspartei geschlagen und ist hierbei der Banus-Stellvertreter,
der auch als Candidat ausgetreten war, durchgefallen. Indeß meint man in
Pesth, daß es schließlich doch möglich sein werde, die Landtagsmehrheit in
Agram unionistisch zu gestalten, da man sich der Hoffnung hingibt, daß die
Virilstimmen besitzenden Magnaten sämmtlich mit der Regierung stimm