Oesterreich-Angarn. 275
17. Aug. (Ungarn.) Der nach Carlowitz behufs Vornahme der Patriarchen-
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wahl einberufene Kirchencongreß wird, kaum eröffnet, von dem königl.
Commissär, General Mollinary, auch sogleich wieder aufgelöst.
Der Anlaß bietet die Erklärung der serbischen Bischöfe am Vortage der
Eröffnung, daß die Majorität des Congresses auf Grund der vom vorher-
gehenden Congresse beschlossenen Statuten, denen die ungarische Regierung die
Sanction beharrlich verweigert, gegen die Anwesenheit des kgl. Commissärs
protestiren werde.
Zur Schlichtung der Wirren wird in Folge des Vorgangs der
bisherige Patriarchatsverweser Stojtowic abberufen und ein kgl. Com-
missär entsendet, der auch die Verwaltung der serbischen Kirchengüter
übernehmen soll, womit der Nationalpartei (Miletic) die wirksamsten
Waffen für ihre Agitationen entwunden werden.
„ (Ungarn: Croatien.) Da die Regierung im Landtage doch nicht
über eine ausreichende und sichere Mehrheit verfügt, so wird derselbe
vorerst auf den 3. Nov. vertagt.
„ (Oesterreich: Galizien.) Eine Versammlung von Führern der
Ruthenen beschließt in Lemberg, im ganzen Lande Bauern-Meetings
zu veranstalten, denen nachfolgende Resolution zur Annahme vorgelegt
werden soll:
b„Die Ruthenen Galiziens streben an: 1) Theilung Galiziens in zwei ge-
sonderte Administrationsgebiete: Westgalizien oder den polnischen Theil mit
dem Landtag in Krakau und Ostgalizien oder den russinischen Theil mit dem
Landtag in Lemberg. 2) Revision des Wahlstatuts vom 26. Februar 1861
nach dem Grundsatz: gleiche Lasten, gleiche Rechte. 3) Revision des Indem-
nisations= und Reluitions-Operats, auf Grund dessen die Entschädigung für
den aufgehobenen Nobot durchgeführt wurde. 4) Revision des Servituten-
statuts und Wiederaufnahme der in vielen Gemeinden ungerecht durchgeführten
Entlastung der Servituten. 5) Strenge Durchführung des Grundsatzes, Grund
und Boden ohne Unterschied zu entlasten, auch in Bezug auf den Kleingrund-
besitz; hiermit Entlastung der auf den Gemeinden lastenden Servituten des
Propinationsrechts, des Mahlrechts, der Fischerei und dergleichen, 6) Um-
arbeitung des Concurrenzgesetzes für Straßenbauten, Straßenausbesserungen,
Kirchen-, Pfarr= und Schulbaulichkeiten auf gerechter Basis. 7) Abschaffung
des Gesetzes, dem zufolge die eingepfarrten Ortschaften zum Bau und zur Re-
peratur der Kirche und der Mutterpfarre concurriren sollen. 8) Uebertragung
des Präsentationsrechts der Pfarrer auf die die entsprechenden Lasten tragen-
den Körperschaften mit Berücksichtigung der Großgrundbesitzer im Verhältnisse
zu ihrer Steuerleistung in der Gemeinde. 9) Aufhebung der Bezirksvertret-
ungen und der Bezirksausschüsse. 10) Einführung und Gleichberechtigung der
russinischen Sprache in Amt und Schule in Ostgalizien auf Grund des § 19
der Staatsgrundgesetze. 11) Eine totale Reorganisation der Schulbehörden
mit gehöriger Beachtung des russinischen Elements. 12) Abgesonderte Re-
krutirung der jlldischen Bevölkerung und besondere Berechnung der auf sie
entfallenden Rekruten. 13) Einführung der Grundbücher für den Kleingrund-
besitz. 14) Copirung der Josephinischen Katastral-Mappen und des Josephi-
nischen Inventars für jede Gemeinde auf Gemeindekosten.“ Diese ruthenische
Resolution soll im Landtage der polnischen entgegengestellt werden.
4. Sept. (Ungarn.) Zusammentritt des neugewählten Reichstags.
Thronrede des Kaisers:
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