Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Oesterreich-Angarn. 279 
Verläßlichkeit für sich habe. Dieß schließe aber nicht aus, daß wir mit den 
übrigen Ländern des Orients, die theils integrirende Theile des türkischen 
Reiches theils selbständige Staaten sind, die besten Bezichungen aufrecht zu 
erhalten bestrebt sind und das regste Wohlwollen für ihr Gedeihen und ihre 
Entwicklung bethätigen. Unsere Beziehungen zu allen diesen Ländern könne 
er als sehr erfreuliche bezeichnen. In ähnlicher Weise sprach sich der Minister 
über Serbien aus, dessen Fürst und Regierung zwar mit Oesterreich auf 
freundschaftlichem Fuße stehen, in dessen Mitte aber eine gewisse Partei exi- 
stire, welche auf die Verfeindung der Monarchie mit Serbien hinarbeite. — 
Von bedeutsamem Werthe war die Entgegnung des Grafen Andrassy auf die 
Anfrage Grocholski's, welcher bei dieser Gelegenheit aus der offiziellsten 
Quelle erfahren wollte, ob in Berlin Über die Organisirung der galizischen 
Verhältnisse, wie in polnischen Blättern verlautcte, gewisse Zusicherungen ge- 
macht worden seien, und der deßhalb, wahrscheinlich um diesen Hauptzweck zu 
maskiren, den Minister interpellirte, ob in Verlin auch Fragen der inneren 
Politik in den Kreis der dort gepflogenen Verhandlungen gezogen worden 
seien. Graf Andrassy erklärt hierauf in ebenso offenherziger, wie streng 
constitutioneller Weise, daß dieß nicht der Fall gewesen, und daß es überhaupt 
gegen seine, Grundsätze sei, sich in die inneren Verhältnisse eines Staates ein- 
zumengen, oder eine solche Einmengung zu gestatten. — Noch wird Graf 
Andrassy von Giskra darüber befragt, welche Stellung er als Minister 
des Aeußern der Jesuitenfrage gegenüber eingenommen habe. Der Minister 
beantwortet diese Interpellation in etwas geschraubter und ausweichender Weise, 
indem er betont, daß diese Angelegenheit eigentlich nicht in sein Nessort ein- 
schlage. Bei diesem Anlasse dementirte er auch in entschiedener Weise die ihm 
in den Mund gelegte Phrase von dem „Schießen mit Kanonen unter die 
Spatzen,, indem er hinzufügte, daß er diese Worte erst jetzt als erfunden. 
bezeichuc, weil es in Oesterreich so viel zu dementiren gebe, daß man damit 
fast nicht fertig werde. Bezüglich der ihm vorgeworfenen Geheimthuereien 
mit dem Rothbuche erklärte Graf Andrassy, er sei zwar ein Freund der Oef- 
fentlichkeit, doch gebe es gewisse Dinge, die ohne Verletzung fremder Empfind- 
lichkeiten, insbesondere gegenüber befreundeten Regierungen nicht gut verlaut- 
bart werden könnten; auf diese Rücksicht sei auch der beschränkte Inhalt des 
Nothbuchs zurückzuführen. Im Ganzen, so schloß Graf Andrassy sein Exposé 
nochmals, müsse man aus Oesterreich einen Staat machen, dessen Allianz ge- 
sucht, dessen Feindschaft gefürchtet werde. 
26. Sept. Oesterreichische Delegation: der Budgetausschuß derselben lehnt 
die für Erhöhung der Präsenzzeit eingestellte Mehrforderung im Mi- 
litäretat für 1873 nach lebhafter Debatte, obschon Andrassy und der 
Kriegsminister nachdrücklich dafür eintreten, ab. 
Die Frage betrifft den Cardinalpunkt des diesjährigen Kriegsbudgets, die 
Mehrforderung von 3,761,511 fl., welche der Kriegsminister stellt, um den 
Friedensstand der Armee so weit zu erhöhen, daß alle Wehrpflichtigen, von 
denen bisher ein Theil nach zweijähriger und ein noch geringerer Bruchtheil 
nach achtwöchentlicher Präsenz entlassen wurde, durch volle drei Jahre unter 
den Fahnen gehalten werden können. Der Reichsrath hat es bei Votirung 
des Wehrgesetzes versäumt, ein Maximum der Friedenspräsenz festzustellen, 
der Kriegsminister ist deßhalb in der Lage, mit einer solchen Forderung an 
die Delegation heranzutreten, ohne daß ihm ein gesetzliches Hinderniß im 
Wege steht. Unter solchen Umständen stemmt sich der Ausschuß mit aller 
Macht gegen die beantragte Mehrforderung. Es wird darauf hingewiesen, 
daß die Staatsfinanzen eine solche Ueberbürdung nicht ertrügen, daß, nachdem 
wiederholt die Organisation der Armee für vollendet erklärt worden sei, die 
bisherigen Ansätze für die Erhaltung der Truppen auch genügen müßten, 
und daß, wenn in den Vorjahren kein Grund vorhanden gewesen, den Friedens- 
  
 
	        
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