Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

334 England. 
ziemlich empfindliche Niederlage, erklärt jedoch, die Bill darum doch 
nicht zurückziehen zu wollen. 
25. April. Unterhaus: Debatte über Fawcett's Dubliner Universitäts-Bill. 
Das Ministerium erklärt sie aus Rücksichten für die irische katholische 
Partei zur Cabinetsfrage und will sie daher nicht zur Comiteberathung 
zulassen, sondern im künftigen Jahre darüber selbst eine Vorlage ein- 
bringen. 
Professor Fawcett's Antrag verlangt: 1) die Abschaffung der religiösen 
Tests, wie sie wenigstens theilweise für die englischen Universitäten schon be- 
schlossen ist, und 2) die vollständige und ehrliche Durchführung des weltlichen, 
kein religiöses Glaubensbekenntniß berücksichtigenden Erziehungssystems an der 
Universität von Dublin und den damit verbundenen Colleges. Da die Uni- 
versitätsprivilegien sich bis jetzt in den Händen der protestantischen Staatskirche 
befinden und die Tests ihre Spitze gerade gegen die Katholiken kehren, so 
sollte man denken, daß diese gegen eine so liberale Maßregel nicht viel könnten 
einzuwenden haben. Die Bill ist schon dreimal vor dem Unterhause gewesen. 
In 1870 wurde sie von Hrn. Gladstone, der in ihr nur eine natürliche Con- 
sequenz seiner irischen Kirchenbill hätte sehen sollen, so hartnäckig bekämpft, 
daß sie gar nicht zur Abstimmung gelangte; im Jahre 1871 hatte der Premier 
keine principiellen Einwendungen mehr zu machen, aber er behauptete, daß die 
Session schon zu weit vorgerückt sei, um die Durchführung einer so wichtigen 
Maßregel zu gestatten; in diesem Jahre war die Bill mit ungeheuren Mehr- 
heiten bereits durch die erste und zweite Lesung gegangen, und es erschien selbst- 
verständlich, daß sie Gesetz werden würde. Daher war die Ueberraschung des Pub- 
likums und der Parlamentsmitglieder nicht gering, als sie durch einen officiellen 
Artikel benachrichtigt wurden, daß die Regierung im Ministerrathe beschlossen 
habe, aus der Faweett'schen Bill eine Cabinetsfrage zu machen und durch den 
Marquis v. Hartington eine Resolution einzubringen, von deren Annahme der 
Bestand des liberalen Cabinets abhänge. Die Resolution sollte sich mit der Ab- 
schaffung der Tests in der Theorie einverstanden erklären, aber die praktische 
Lösung der irischen Universitätsfrage für die Regierung selbst beanspruchen, 
d. h. für nächstes Jahr vertagen. Fawcett versucht nun, den Beschluß 
der Regierung rückgängig zu machen und sie zu veranlassen, doch einen Tag 
für die Behandlung seiner Bill anzusetzen. Er beschwert sich bitter darüber 
und erklärt: ehe der Premier den Gegenstand zu einer Cabinetsfrage gemacht, 
seien drei Viertel der liberalen Mehrheit der Bill günstig gewesen, als aber 
der genannte Schachzug gethan worden, sei ein Mitglied nach dem andern zu 
ihm gekommen, mit der Erklärung, daß liberales Regiment denn doch mehr 
als die Dubliner Universitätsfrage zu berücksichtigen sei, und wenn nichts an- 
deres Übrig bleibe, als zwischen beiden zu wählen, so müsse die Universität 
Dublin an einen Ort gehen, den er nicht erwähnen wolle, womit der Professor 
nach englischem Sprachgebrauch zart die Hölle andeutete. Er erklärt: das eng- 
Volk liebe ein offenes und unparteiisches Verfahren, und wenn die Regierung 
die ihm entgegengeschleuderte Herausforderung nicht annehme, so erkläre sie 
dadurch, daß sie verwirrt und bestürzt sei, und daß sie entweder gar keine 
Politik oder eine Politik habe, welche zu bekennen sie sich fürchte. 
Die Opposition, die ein Uebriges gethan hat, jeden treffenden Hieb in der Rede 
des radicalen Professors mit lebhaftem Beifall zu begrüßen, bricht bei dieser 
Kritik über die Politik des Ministeriums in einen wahren Sturm zustimmen- 
der Rufe aus. Der Premier, der von den ministeriellen Bänken laut be- 
grüßt wird, erinnert seinerseits an die irische Landfrage, und bemerkt: wie die 
Regierung in dieser Angelegenheit gegen das Feuer Stand gehalten habe, so 
werde sie es auch ferner thun, um nicht ihre Projekte durch unzeitige Enthül- 
lung zu verderben. Den Vorwurf Famcett's, daß man ihn unversehens mit
	        
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