Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

30 IAllgemeine Ehronik. 
14. Dec. [Deutschland: Preußen.] Die Disciplinaruntersuchung gegen den Ar- 
meebischof Namszanowski führt zu keinem Resultate. Die Suspension des- 
selben wird indeß von der Regierung aufrecht erhalten. 
— „ (Deutschland: Bayern.] Schluß der Session der Landräthe. In allen 
Kreisen haben die Freunde eines besonnenen, aber entschiedenen Fortschritts die 
Mehrheit behauptet. Das Bestreben, die Schule von der Kirche unabhängiger 
zu stellen, macht Fortschritte und wird von der Regierung unterstützt. 
16. „ [Deutschland: Preußen.)] Der Reichskanzler Fürst Bismarck bittet den 
König um die Enthebung von seiner Stelle als Ministerpräsident. 
[Schweiz.] In Genf fallen die Neuwahlen zum geistlichen Consistorium 
gegen die Orthodoxen und zu Gunsten der Liberalen aus, denen nunmehr die 
Majorität der Behörde gesichert ist. 
18. „ [Deutschland: Preußen.] Der greise Prediger Sydow in Berlin wird 
vom Consistorium der Provinz Brandenburg wegen seiner wissenschaftlich frei- 
sinnigen Ansichten mit 5 gegen 4 Stimmen wirklich abgesetzt. 
[Frankreich.] Nat.-Versammlung: Die Dreißiger-Commission beharrt 
darauf, zuerst die Ministerverantwortlichkeitsfrage (gegen Hrn. Thiers) zu re- 
geln. Hr. Thiers sucht die monarchischen Parteien durch eine Reihe kleiner 
Concessionen zu besänftigen. 
[Schweiz.]) Bischof Lachat lehnt die Forderung der Regierungen bezüglich 
Excommunication ab. 
19. „ (Deutsches Neich.] Eine Conferenz der Justizminister der Mittelstaaten kann 
sich über die Errichtung eines obersten Reichsgerichts nicht einigen. Preußen 
und Baden erklären sich daflir, die Königreiche Bayern, Württemberg und 
Sachsen dagegen. 
[Däinemark — Schweden und Norwegen.] Die Regierungen unter- 
zeichnen in Stockholm eine Convention bez. Einführung eines neuen gemein- 
samen Münzsystems. Der Natifikation hat indeß erst die Genehmigung der 
Volksvertretung aller drei Staaten voranzugehen. 
20. „ (Spanien.] Die Regierung legt den Cortes einen Gesetzesentwurf über 
die Reorganisation der Armee und die Abschaffung der Conseription vor; die 
aktive Armee soll nur aus Freiwilligen bestehen und nicht mehr als 40,000 
Mann stark sein. 
21. „ (Schweiz.] Beide Räthe der Bundesversammlung beschließen fast einstim- 
mig die Wiederaufnahme der Bundesrevision. 
22. „ [Nom.]) Fulvriinante Allokution des Papstes im Consistorium der Cardinäle 
gegen Italien, die Schweiz, namentlich aber gegen Deutschland. 
„ „ ([Frankreich.] Der (elerical gesinnte) Gesandte am päpstlichen Hofe, er- 
bittert über die Politik der Regierung, die Italien wenigstens nicht geradezu 
vor den Kopf stoßen will, gibt in sehr brüsker Weise seine Entlassung. 
30. „ [Deutschland — Rom.] Die deutsche Reichsregierung befiehlt dem Ver- 
treter des deutschen Reichs am päpstlichen Hofe, in Folge der Allokution des 
Papstes gegen Deutschland, in Urlaub zu gehen. Derselbe zeigt dem Card. 
Antonelli den erhaltenen Befehl an und reist sofort ab. Das deutsche Reich 
bleibt vorerst am römischen Hofe unvertreten. 
[Spanien.) Der Carlisten = Aufstand in den baskischen Provinzen dauert 
fort, ohne wesentlich abzunehmen, doch auch bis jetzt ohne irgend einen we- 
sentlichen Erfolg. Prinz Alphons, ein Bruder des Prätendenten, übernimmt 
den Oberbefehl über die Insurgenten in Catalonien. 
— „ Es ergibt sich, daß durch die Verlegung der obersten Leitung der sog. In- 
ternationale nach Newyork der Führer der Bewegung in Europa, Karl 
Marx, keineswegs bei Seite geschoben wurde, sondern für Europa nicht bloß
	        
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