Frankreich. 355
Jahren nur von Illusionen gelebt; Sie werden seiner Zeit sehen, daß hier
Ersparnisse nicht durchzuführen sind. Die Amortifirung ihrerseits hat eben-
falls nur zu lange geruht; Übrigens gelten die für dieselben präliminirten
200 Millionen thatsächlich nur der Bank, welcher wir im allgemeinen Interesse
und zudem auch auf Grund eines ausdrücklichen Gesetzes gerecht werden müssen,
damit sie baldmöglichst ihre Metallzahlungen wieder aufnehmen könne. (Sehr
gutl) Der Ihnen vorliegende Entwurf des Finanzministers ist nicht von mir
selbst ausgearbeitet worden; aber ich bin nach reiflicher Prüfung zu der Ueber-
zeugung gelangt, daß er unter den gegebenen Umständen die beste Lösung ent-
hält. Es genügt, die von anderer Seite vorgebrachten Projekte zu Üüberblicken.
Die Erhöhung der direkten Steuern träfe zurschwer den in einem so großen
Theile des Landes von der Invafion heimgesuchten Grund und Boden. (Nichtig!)
Die bewohnten Gebäude zu besteuern ist ebensowenig räthlich, wenn man weiß,
wie viel Miethen seit 1½ Jahren nicht bezahlt worden sind. (Ohol) Die
Verzehrungssteuern können ebenfalls kaum eine neue Erhöhung ertragen: Kaffee,
Alkohol, Tabak, auch das Postporto find an der Grenze des Möglichen an-
gelangt, und es ist schon erfreulich genug, daß diese Steuererhöhungen zu-
meist die an sie geknüpften Erwartungen noch übertroffen haben. Wir brau-
chen aber nun einmal noch 250 Millionen. Da bieten sich uns als leidlichste
Hilfsquelle die fremden Gewebe, der Zucker, die Zündhölzchen, das Papier
dar; sie können zusammen etwa 621½ Millionen liefern. Für die übrigen
200 Millionen bringt nun die Negierung eine Steuer in Vorschlag, die in
Frankreich lange Zeit bestand, Niemand unglülcklich machte und dafür der
Industrie zu unerhörtem Wohlstande verhalf. Man dachte allgemein zunächst
an die Einkommensteuer. Sie werden bemerkt haben, welche Zurückhaltung
wir den verschiedensten Steuervorschlägen gegenüber beobachteten; hier aber
mußten wir ein entschiedenes: Nein! Nein! entgegenhalten. (Heiterkeit.) Woa
das Prinzip falsch ist, da gibt es keine Unparteilichkeit mehr, da muß man
Farbe bekennen. Der Socialismus hat zwei Formen. Auf dem flachen Land
ist er ganz unmöglich: denn hinter jedem Felde steht dort der Bauer mit
seinem Gewehr und vertheidigt sich selbst. Der Socialismus tritt entweder
in der Form von Arbeiter-Coalitionen oder in der Form der Einkommen-
steuer auf. (Sehr gut! rechts; Unruhe links.) Die letztere mag unter ihren
Anhängern sehr viele ehrenwerthe Leute zählen; ihrer Natur nach ist sie nur
eine der Inkarnationen des Socialismus. Die Commission schlug ihrerseits
eine Besteuerung der Mobiliarwerthe vor; ich möchte dieselbe, da sie für den
Geldmarkt empfindlich ist, nur als en-Cas, als eventuelles Zufluchtsmittel
gelten lassen; sie trüge auch nur 32 Millionen und brächte eine Inquisition
mit sich, wie die Einkommensteuer. So sah sich denn für den Rest auch die
Commission genöthigt, die Rohstoffe in's Auge zu fassen. Sie schlug eine
3prozentige Steuer ohne Drawback vor, und gelangte damit nur zu einem
Erträgnisse von 50 Millionen. Davon abgesehen, stehen dieser Steuer auch
die Handelsverträge entgegen. In der Uebereilung, mit welcher man, lediglich
politischen Rücksichten gehorchend, diese Verträge abschloß, ließ man sich zu
einer Bestimmung herbei, derzufolge, wenn wir ein Meter Tuch mit 1 Fr.
besteuern, das Ausland dieselbe Steuer, den sog. Compensationszoll, erheben
darf. Dagegen ist jetzt nichts zu thun. Wir dringen jetzt allerdings auf die
Lösung dieser Handelsverträge oder doch auf eine gründliche Revision derselben.
Wenn man die von uns vorgeschlagenen Modifikationen nicht annimmt, so
werden wir mit Vergnügen auf diese Verträge verzichten, von denen man ja
in England selbst sagt, daß man auf sie keinen Werth legt, und daß man sie
sich von Frankreich habe aufdringen lassen. (Heiterkeit.) Hr. Deseilligny hat
uns eine Steuer auf die Handelsumsätze und Hr. Clapier eine Steuer auf die
verarbeiteten Stoffe vorgeschlagen. Beide scheinen mir chimärisch und unaus-
führbar. Ein Zuschlag zu den direkten Steuern würde sich schon eher empfel,,
len, wie denn im Prinzip eine alte Steuer immer einer neuen vorzuziehen L
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