Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

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TFrankreich. 
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geben? Wer wird den Arbeiterklassen die Wohlthat des Friedens, dem Ar- 
beiter die Würde seines Lebens, die Früchte seiner Arbeit, die Sicherheit seines 
Altexs verbürgen? Ich habe es oft wiederholt: ich bin bereit zu allen Con- 
cessionen, die keine Handlungen der Schwäche sein werden. Gott ist mein 
Zeuge: ich habe nur Eine Leidenschaft im Herzen: das Glück Frankreichs; 
ich habe nur Einen Ehrgeiz, den: meinen Theil zu haben an dem Werke der 
Reconstitution, welches nicht das ausschließliche Werk einer Partei sein kann, 
sondern das die loyale Unterstützung aller Aufopferungen verlangt. Nichts 
wird meine Beschlüsse erschüttern, nichts meine Geduld ermüden, und Nie- 
mand wird unter einem Vorwand von mir erlangen, daß ich 
zustimmte, der legitime König der Revolution zu werden.“ 
30. Jan. England erklärt, daß es den Handelsvertrag mit Frankreich als 
in Kraft bestehend ansehe bis 12 Monate nach seiner förmlichen 
Kündigung; gegen eine Revision der Tarife werde es keine Einwen- 
dungen machen, wofern nicht zum Schutzzollsystem zurückgekehrt werde. 
2. Febr. Nat.-Versammlung: genehmigt die Kündigung des englischen 
Handelsvertrages und bereitet dadurch Hrn. Thiers und „seinen 
Ideen“ einen zweiten Triumph; ein Amendement Johnsons, welches 
die Kündigung der Verträge vorbehält, zunächst aber die Regierung 
lediglich auffordern will, neuerliche Unterhandlungen mit England ein- 
zuleiten, um die Vertragstarife „in fiscalischem Sinne“ abzuändern, 
wird mit 423 gegen 200 Stimmen abgelehnt. 
Der Antrag Duchatel's auf Rückverlegung der Versammlung nach 
Paris wird ohne eigentliche Debatte auf stürmisches Andrängen der 
monarchischen Parteien mit 377 gegen 318 Stimmen abgelehnt. 
Der einzige Redner, den die Rechte eigentlich zum Wort kommen läßt, ist 
Vautrain, der am 7. Januar in Paris gewählt wurde und welcher in 
seinem Wahlmanifeste versprochen hatte, daß Paris wieder die Hauptstadt 
Frankreichs werden würde: Sie haben den festen Willen, die Ruhe und die 
Einheit Frankreichs herzustellen; meiner Ansicht nach muß man die Einheit 
zwischen Paris und der Provinz wieder herstellen. Wir müussen alle An- 
strengungen machen, jede Zwietracht zu beseitigen. Niemand ist ein größerer 
Gegner des blutigen Regimes, welches Paris verwüstet hat, als ich; aber 
wenn die Versammlung am 15. März in Paris gewesen wäre (Beifall auf 
der Linken), so würde das, was wir bedauern, nicht vorgefallen sein. Wenn 
Sie da gewesen wären, m. HH., so würde ich zu Ihnen geeilt sein und Sie 
herbeigerufen haben. (Gekächter auf der Rechten.) — Eine Stimme auf der 
Linken: Der, welcher gelacht hat, ist kein Franzose. — Vautrain: Ich be- 
greife diese Unterbrechung nicht. (Unterbrechung.) — Graf de Juigne: 
Es sind die Maires von Paris, welche zuerst an der Spitze der Insurrektion 
waren. (Lange anhaltende Unterbrechung. Man interpellirt von vielen Seiten. 
Eine große Anzahl der Mitglieder verlangt den Schluß der Debatte. Der 
Präsident setzt seine Schelle in Bewegung; es dauert aber lange, ehe die 
Ruhe wiederhergestellt ist.) — Präs.: Hr. de Juigne! Es ist Ihnen nicht 
unbekannt, daß mehrere Pariser Maires Mitglieder der Versammlung sind, 
und daß Sie dieselben auf furchtbare Weise beleidigt haben. — de Juigne: 
Meine Worte richteten sich nicht an die Maires, welche Mitglieder der Ver- 
sammlung sind, sondern an die, welche sich an der Insurrektion betheiligt 
haben. (Gewaltige Unterbrechung auf der Linken.) — Präs.: Hr. de Juigne 
hat erklärt, daß er die Mitglieder der Versammlung nicht gemeint hat. Nie- 
mand darf seine Erklärung in Zweifel ziehen. (Sehr gut! Sehr gutl) —
	        
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