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TFrankreich.
Arme:; das rechte Centrum klatscht zu diesem sonderbaren Auftritt wüthenden
Beifall.) Bischof Dupanloup ergreift, wie er sagt, in einer seinem Hirten-
amte so fern liegenden Frage nicht ohne Beklemmung das Wort. Ich will,
meint er, gegen die allgemeine Wehrpflicht nichts einwenden, da diese nun
einmal das Programm aller Welt geworden ist; aber man sage nur nicht,
daß Preußen, weil es die allgemcine Dienstpflicht und den Schulzwang habe,
die erste RNation der Erde geworden ist. Ich bestreite die Behauptung selbst;
die Preußen, welche ich genügend aus der Nähe kennen gelernt, sind nicht die
erste Nation, sie sind nur die erste Kaserne der Welt; Adel, Großmuth, Un-
eigennützigkeit und Sanftmuth fehlen ihnen ganz und gar, und Hr. Thiers
hat recht, wenn er einmal sagte: „Eine Nation von Soldaten wird gar bald
eine Nation von Barbaren!“ Redner verwendet sich namentlich für die stu-
dierende Jugend, welche der Entwurf mitten in ihren gelehrten Uebungen zu
unterbrechen drohe; man könnte sich mit dem Baccalaureats-Zeugniß für den
einjähr. Dienst begnügen. Besonders fürchtet er für die philosophischen Studien,
die edelsten von allen, und die erst in reiferem Alter, also gerade, wo der
Militärdienst ruft, mit Nutzen unternommen werden können. (Rufe links: Zur
Sachel) Gott, die Seele, das künftige Leben, die gesellschaftliche Ordnung, das
seien Probleme, die den ganzen Menschen erfordern, und mit Hilfe der Ma-
thematik allein nicht gelöst werden können. In der Armee selbst wünscht der
Redner die „Gewissenbfreiheit“ besser geschont zu sehen, als bisher; der Sonn-
tag müsse den gläubigen Soldaten freigegeben werden, damit sie die Kirche
besuchen könnten; jetzt höre der Soldat die Messe beinahe nur, wenn er im
Gefängniß ist. Voltaire erzählt einmal von einem Neffen Fénélons, der, ehe
er in die Schlacht zog, in welcher er den Heldentod starb, gebeichtet habe, und
fÜgt selbst hinzu: eine Armee, die aus lauter solchen Soldaten zusammengesett
wäre, würde unüberwindlich sein. Der Staat, schließt der Redner, ist es den
Eltern, denen er ihre Söhne entführt, schuldig, ihnen diese als ebenso gläu-
bige Christen, wie sie in die Armee getreten waren, zurückzuerstatten. Lebhafter
Beifall rechts.) Der (clericale) General du Temple verirrt sich, wie gewbhn-
lich, zu einer Diatribe gegen die Nevolution und insbesondere gegen die
Männer vom 4. September. Diese Leute, welche den Krieg à outrance pre-
digten, stürzten sich nicht auf den Feind, sondern auf die öffentlichen Aemter,
während wir andern Gut und Blut für das Vaterland hergaben. Dem Hn.
Gambetta, der jetzt nur wieder auf die Gelegenheit lauert, sich der Regierung
zu bemächtigen, lag sein Leben mehr am Herzen, als seine Ehre. Er hielt
sich immer fein im Rücken der Armee und alles, was er that, war, daß er
während des Krieges unaufhörlich von einer Stadt zur andern fuhr. Gam-
betta: Auf solche Reden antwortet man nicht; man schickt dem, der sie hält,
einen Irrenarzt.
Damit wird die Generaldebatte geschlossen und die Specialdebatte eröffnet.
Die ersten vier Artikel werden ohne Debatte angenommen; sie lauten: „Art. 1.
Jeder Franzose ist zum persönlichen Militärdienst verpflichtet. Art. 2. In der
französischen Armee gibt es keine Werbe-Prämien oder sonstige Werbepreise.
Art. 3. Jeder Franzose, der nicht für den Militärdienst untauglich besunden
worden ist, kann von dem Alter von 20 bis zum Alter von 40 Jahren be-
rufen werden, nach Maßgabe des Gesetzes der aktiven Armee und den Reserven
anzugehören. Art. 4. Die Stellung von Ersatzmännern ist abgeschafft.“ Art. 5,
wonach „die beim Corps befindlichen Mannschaften an keinem Votum theil-
nehmen dürfen", wird mit 628 gegen 35 Stimmen angenommen, dagegen ein
Amendement, wonach „die aktiven Militärs aller Grade auch nicht wählbar
sein sollen“, mit 408 gegen 101 Stimmen verworfen.
27. Mai. Die Pariser Blätter veröffentlichen folgende Statistik der aus
Anlaß des Commune-Aufstands von den Kriegsgerichten bis zum 27.
Mai d. J. verhängten Strafen: Verurtheilungen zum Tode 73; zu