Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

390 Frankreich. 
3. Juni. Nat.-Versammlung: Die Commission, welche für die Prüfung 
der Capitulationen während des Krieges niedergesetzt worden, schließt 
ihre Arbeiten. 
Der Antrag von Pascal Duprat, daß alle Berichte, welche dem Gutachten 
als Basis dienten, veröffentlicht werden sollen, wird mit 6 gegen 5 Stimmen 
verworfen. Dagegen spricht sich die Commission einstimmig für die Veröffent- 
lichung des Berichtes über Sedan, und mit 8 gegen 3 Stimmen für die Ver- 
öffentlichung des Berichtes über Siraßburg aus. Zugleich beschließt sie, ihr 
Bedauern darüber auszudrücken, daß die Capitulation von Sedan nicht vor 
ein Kriegsgericht verwiesen worden sei. 
5. „ Nat.-Versammlung: Wahl des Ausschusses für Prüfung des Bud- 
gets für 1873 durch die Bureaux. Die in dem frühern Ausschusse 
sitzenden persönlichen Gegner von Thiers werden aus demselben ent- 
fernt, dagegen zählt der neue Ausschuß 20 Freihändler gegen bloß 
10 Schutzzöllner. 
6. „ Nat.-Versammlung: Der Republikaner Grevy wird fast einstimmig 
(mit 459 von 476 Stimmen) wieder zum Präsidenten gewählt; auch 
der Vicepräsident und die Sekretäre bleiben dieselben, wie bisher. 
8. „ Nat.-Versammlung: Fortsetzung der Berathung des Wehrgesetzes: 
die (bloß) dreijährige Dienstzeit in der aktiven Armee wird mit 462 
gegen 228 Stimmen verworfen. 
„ Der Gerichtshof von Bordeaux verurtheilt die katholischen Priester 
Junqua und Mouls, die die Anerkennung der Unfehlbarkeit des Papstes 
verweigert hatten und in Folge davon wegen fortgesetzter Tragung des 
geistlichen Kleides mit dem Erzbischof v. Bordeaux in Streit gerathen 
waren, zu zwei Jahren Gefängniß und 2000 Fr. Geldstrafe wegen 
„Verhöhnung der Religion und Aufreizung zum Hasse“ in einem dor- 
tigen Blatte. 
9. „ Die am 6. d. M. in Paris zusammengetretene Synode der re- 
formirten Kirche Frankreichs legt sofort die tiefe Spaltung zwischen 
der orthodoxen und der liberalen Partei innerhalb dieser Kirche an 
den Tag. 
Die Synode besteht aus 108 Mitgliedern, 49 Pastoren und 58 Laien. 
An der Spihe der orthodoxen Partei steht der greise Guizot, an der der li- 
beralen der bekannte Pastor Coquerel. Beide messen sich bei der Präfidenten- 
wahl. Die Orthodoxen setzen mit 55 gegen 45 Stimmen ihren Candidaten 
durch. 
„ „ Nachwahlen zur Nat.-Versammlung in drei Departements: in allen 
dreien siegt die republikanische Partei. 
„ „ Reformirte Synode: Die liberale Gruppe derselben, die HH. Co- 
lani, Coquerel, Clamageran und Oberst Denfert an der Spitze, legen 
folgendes Glaubensbekenntniß auf den Tisch der Versammlung nieder: 
„Berufen, in der General-Synode eine große Anzahl unserer Brüder zu 
vertreten, sind wir es ihnen schuldig, in dieser Versammlung zu erklären, was 
wir wollen und was wir sind. Wir gehören der liberalen Partei der refor- 
mirten Kirche von Frankreich an. Getreu ihren Prinzipien, machen wir von 
der allen ihren Kindern gemeinsamen Freiheit Gebrauch, Christen zu sein nach
	        
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