Frankreich. 431
gesprochen zu haben. (Ja wohl! Sehr gut! links; Lärm rechts. v. Laroche-
soucauld: Und Ihre Eide!) Ich schließe mich also dem Hrn. v. Kerdrel
in seinem Verlangen nach einem besonnenen und wohlerwogenen Urtheil an.
v. Kerdrel: Ich möchte meinen Antrag genauer, wie folgt, formuliren: Ich
habe die Ehre, zu beantragen, daß eine Commission ernannt werde, welche
der Nationalversammlung den Entwurf einer Antwort auf die Botschaft des
Präsidenten der Republik vorlegen soll. (Unterbrechung links.) Diese Fassung
ist mir von dem Hrn. Presidenten dieses Hauses angerathen worden. Präs.
Grévy: Vollkommen wahr. Die erste Redaktion schien mir dem Nebensinn
eines Tadels Raum zu geben, und die Botschaft ist doch eine Mittheilung
von Macht zu Macht. (Mehrere Stimmen rechts: Nur daß die eine Macht
eine delegirte der anderen ist!) Ich bringe die Dringlichkeit des Antrags des
Hrn. v. Kerdrel, und zwar, da über den Dahirel'schen Antrag noch nicht ent-
schieden ist, nach unserer alten Praxis zur Abstimmung. (Nach zweimaliger
Probe:) Die Dringlichkeit ist angenommen. (Heftiger Widerspruch links.)
Ich möchte wohl wissen, wer sich hier erlaubt, eine Entscheidung des Bureau's
anzuzweifeln. (Sehr gut! rechts.)
15. Nov. Die Freimaurerloge zum großen Orient beschließt, mit allen
18.
Freimaurern Deutschlands förmlich zu brechen, weil sie nicht gegen
die Erwerbung von Elsaß-Lothringen protestirt hätten.
„ Nat.-Versammlung: Debatte über die Interpellation Changarnier
gegen Gambetta. Dieser beobachtet beharrlich Schweigen. Bei der
Abstimmung werden die von Hrn. Thiers abgelehnten Formulirungen
der Tagesordnung verworfen, die von ihm acceptirte wird dagegen
mit 267 gegen 117 Stimmen angenommen. Da aber 277 Mit-
glieder der Rechten sich bei der Abstimmung enthalten haben, ist die
Regierung eigentlich in der Minderheit geblieben.
In der Debatte protestirt Changarnier gegen das wachsende Umsich-
greifen des Radicalismus, er bekämpft lebhaft die Rede Gambetta's in Gre-
noble, darauf hinzielend: die Versammlung solle sich von dem Aufwiegler los-
sagen, welcher, im Besitze der Gewalt, den Nuin Frankreichs herbeiführen
werde. (Lebhafter Beifall der Rechten.) Der Minister des Innern weist
die der Regierung gemachten Vorwürfe der Unentschlossenheit und der Schwäche
zurück, die Regierung erfülle nur ihre Pflicht; er protestirt gegen den Ausdruck
eprovisorische Regierung", und bestreitet auf's lebhafteste, daß die Regierung
gemeinschaftliche Sache mache mit dem Radicalismus, indem er an die von der
Regierung getroffenen Maßregeln, an die Erklärung des Hrn. Thiers in der
Permanenzcommission erinnert. Der Herzog v. Broglie beantragt, daß die
Regierung sich von Neuem in förmlicher Weise von Gambetta lossage. Thiers
betont, daß, sobald eine wirkliche Gefahr vorhanden sei, die Negierung immer
den Kampf gegen den Socialismus und die Demagogie aufnehmen könne, da
Frankreich gegenwärtig von einer tapfern Armee beschützt sei; er bestreite die Be-
fugniß seiner Ankläger, ihn auf die Anklagebank zu setzen, er entziehe sich aber
nie dem Urtheilsspruch des Landes; er sei immer bereit, als Deputirter oder als
Oberhaupt der Regierung vor dem Tribunal des Landes zu erscheinen. Wolle
man eine starke Regierung, so müsse man ihr eine würdige Stellung verschaffen,
nicht sie in schuldvollen Verdacht bringen; übrigens sei die Rede in Grenoble
nur ein Vorwand, man solle nur die Vertrauensfrage stellen. Thiers schließt:
Verlieren wir keine Zeit, bedenken Sie, wie Sie stimmen wollen. Sie gaben
mir das Recht, eine entscheidende Willenserklärung von Ihnen zu fordern.
Sie beklagen, daß die Regierung nur eine provisorische ist, schaffen Sie
eine definitive. Der Augenblick ist günstig, Frankreich wird
sie annehmen. (Lebhafter Beifall der Linken.) Die Nationalversammlung