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Die päpftliche Eurie.
tat auf die Kirche und ihr Oberhaupt protestirt und ihn beausftragt,
den katholischen wie nicht katholischen Regierungen seine traurige Lage
bekannt zu geben und ihren Schutz wider diese unerträgliche Lage an-
zurufen. Der Brief lautet:
Verehrtester Herr Cardinal Giacomo Antonelli, Unser Staatssekretär! In
der gegenwärtigen höchst traurigen Lage genöthigt, jeden Tag den schmerzlichen
Anblick neuer und harter Angriffe gegen die Kirche zu ertragen, fühlen Wir
heute ganz besonders das Bedürfniß, die Feder zu ergreifen, um Ihnen, Herr
Cardinal, das Gefühl des tiefsten Schmerzes auszudrücken, welches Wir jüngst
empfanden, als Wir die vom Ministerpräsidenten dieser usurpatorischen Regie-
rung gemachte Erklärung vernahmen: daß dieselbe fest entschlossen se i, den
Kammern demnächst einen Gesetzentwurf zur Unterdrückung der religi-
ösen Orden in dieser Unserer Stadt, dem Sitze des Statthalters Jesu
Christi und der Metropole der katholischen Welt, vorzulegen. Diese Erklärung,
welche immer mehr den wahren Zweck enthüllt, welchen die Beraubung des
apostolischen Stuhles um seine weltliche Gewalt hatte, ist ein neuer Schimpf,
der nicht nur Uns, sondern der ganzen katholischen Christenheit angethan wird.
Denn wer kann leugnen, bestreiten, daß die Unterdrückung der religiösen Orden
in Rom, oder auch nur eine willkürliche Beschränkung ihrer Freiheit, nicht
bloß ein Attentat auf die Freiheit und Unabhängigkeit des römischen Ober-
hirten ist, sondern daß ihm damit auch eines der mächtigsten und wirksamsten
Mittel zur Leitung der Universalkirche entrissen wird? Alle Welt weiß, daß,
wie Rom der Mittelpunkt der Christenheit ist, so auch die religiösen Orden,
welche seit Jahrhunderten daselbst bestehen, sozusagen das Centrum aller Orden
und Congregationen sind, welche sich über den ganzen Erdball verbreitet finden.
Sie sind gleichsam ebenso viele Pflanzschulen, von der unermüdlichen Sorgfalt
der römischen Oberhirten errichtet, von der Freigebigkeit frommer Geber, auch
im Ausland, beschenkt und von der höchsten päpstlichem Autorität, von welcher
sie Leben, Leitung und guten Rath erhalten, geordnet. Diese Häuser wurden
gegründet und bestimmt, Arbeiter und Missionäre für alle Welttheile auszu-
bilden. Ohne Uns auf die Geschichte berufen zu müssen, um die der christli-
chen Republik und der ganzen Menschheit von diesen Anhängern der evangeli-
schen Lehre gebrachten Vortheile hervorzuheben, genügt es, mit Einem Blick
die verschiedenen Länder Europa's, die entferntesten und ungastlichsten Gestade
Asiens, Afrika's, Amerika's und Australiens zu betrachten, wo noch heutzutage
diese eifrigen Diener Gottes mit beispielloser Enisagung ihre Kräfte, ihre Ge-
sundheit, ja ihr Leben selbst zum Nutzen und Frommen der Völker opfern.
Wenn nun die religiösen Orden in Rom unterdrückt oder auch nur in irgend
welcher Weise eingeschränkt werden, so ist es nicht mehr möglich, daß die Welt
wie heute die Vortheile dieser frommen und segensreichen Institute fortgenießt.
In der That ist es Rom, wo die Hauptnoviziate bestehen, welche bestimmt
sind, die jungen Verkündiger des Christenthums vorzubereiten; es ist hier, wo
die frommen Gemüther aller Nationen zusammenströmen, um ihren Geist zu
stählen und Rechenschaft von ihren Missionen abzulegen; es ist hier, wo im
Schatten des apostolischen Stuhles alle Angelegenheiten der Häuser des Aus-
landes verhandelt werden; hier endlich werden unter der Theilnahme der ver-
schiedenen Nationen die Generale, Obern, Würdenträger der Orden und die
Häupter aller Provinzen erwählt. Wie kann man also hoffen, daß ohne diesen
großen Mittelpunkt in der gegenwärtigen Lage der Dinge und ohne diese
oberste Leitung das belebende und wohlthätige Werk dieser evangelischen Ar-
beiter dieselben Resultate haben werde, wie bisher? Nein, die religiösen Häuser
in Rom unterdrücken, heißt so viel, als allen in der Welt zerstreuten Gemein-
schaften den Lebensnerv abschneiden, und eine Beraubung derselben um ihre
hier liegenden Güter käme der Beraubung des ganzen Ordens und aller Or-