Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

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Die päpftliche Eurie. 
tat auf die Kirche und ihr Oberhaupt protestirt und ihn beausftragt, 
den katholischen wie nicht katholischen Regierungen seine traurige Lage 
bekannt zu geben und ihren Schutz wider diese unerträgliche Lage an- 
zurufen. Der Brief lautet: 
Verehrtester Herr Cardinal Giacomo Antonelli, Unser Staatssekretär! In 
der gegenwärtigen höchst traurigen Lage genöthigt, jeden Tag den schmerzlichen 
Anblick neuer und harter Angriffe gegen die Kirche zu ertragen, fühlen Wir 
heute ganz besonders das Bedürfniß, die Feder zu ergreifen, um Ihnen, Herr 
Cardinal, das Gefühl des tiefsten Schmerzes auszudrücken, welches Wir jüngst 
empfanden, als Wir die vom Ministerpräsidenten dieser usurpatorischen Regie- 
rung gemachte Erklärung vernahmen: daß dieselbe fest entschlossen se i, den 
Kammern demnächst einen Gesetzentwurf zur Unterdrückung der religi- 
ösen Orden in dieser Unserer Stadt, dem Sitze des Statthalters Jesu 
Christi und der Metropole der katholischen Welt, vorzulegen. Diese Erklärung, 
welche immer mehr den wahren Zweck enthüllt, welchen die Beraubung des 
apostolischen Stuhles um seine weltliche Gewalt hatte, ist ein neuer Schimpf, 
der nicht nur Uns, sondern der ganzen katholischen Christenheit angethan wird. 
Denn wer kann leugnen, bestreiten, daß die Unterdrückung der religiösen Orden 
in Rom, oder auch nur eine willkürliche Beschränkung ihrer Freiheit, nicht 
bloß ein Attentat auf die Freiheit und Unabhängigkeit des römischen Ober- 
hirten ist, sondern daß ihm damit auch eines der mächtigsten und wirksamsten 
Mittel zur Leitung der Universalkirche entrissen wird? Alle Welt weiß, daß, 
wie Rom der Mittelpunkt der Christenheit ist, so auch die religiösen Orden, 
welche seit Jahrhunderten daselbst bestehen, sozusagen das Centrum aller Orden 
und Congregationen sind, welche sich über den ganzen Erdball verbreitet finden. 
Sie sind gleichsam ebenso viele Pflanzschulen, von der unermüdlichen Sorgfalt 
der römischen Oberhirten errichtet, von der Freigebigkeit frommer Geber, auch 
im Ausland, beschenkt und von der höchsten päpstlichem Autorität, von welcher 
sie Leben, Leitung und guten Rath erhalten, geordnet. Diese Häuser wurden 
gegründet und bestimmt, Arbeiter und Missionäre für alle Welttheile auszu- 
bilden. Ohne Uns auf die Geschichte berufen zu müssen, um die der christli- 
chen Republik und der ganzen Menschheit von diesen Anhängern der evangeli- 
schen Lehre gebrachten Vortheile hervorzuheben, genügt es, mit Einem Blick 
die verschiedenen Länder Europa's, die entferntesten und ungastlichsten Gestade 
Asiens, Afrika's, Amerika's und Australiens zu betrachten, wo noch heutzutage 
diese eifrigen Diener Gottes mit beispielloser Enisagung ihre Kräfte, ihre Ge- 
sundheit, ja ihr Leben selbst zum Nutzen und Frommen der Völker opfern. 
Wenn nun die religiösen Orden in Rom unterdrückt oder auch nur in irgend 
welcher Weise eingeschränkt werden, so ist es nicht mehr möglich, daß die Welt 
wie heute die Vortheile dieser frommen und segensreichen Institute fortgenießt. 
In der That ist es Rom, wo die Hauptnoviziate bestehen, welche bestimmt 
sind, die jungen Verkündiger des Christenthums vorzubereiten; es ist hier, wo 
die frommen Gemüther aller Nationen zusammenströmen, um ihren Geist zu 
stählen und Rechenschaft von ihren Missionen abzulegen; es ist hier, wo im 
Schatten des apostolischen Stuhles alle Angelegenheiten der Häuser des Aus- 
landes verhandelt werden; hier endlich werden unter der Theilnahme der ver- 
schiedenen Nationen die Generale, Obern, Würdenträger der Orden und die 
Häupter aller Provinzen erwählt. Wie kann man also hoffen, daß ohne diesen 
großen Mittelpunkt in der gegenwärtigen Lage der Dinge und ohne diese 
oberste Leitung das belebende und wohlthätige Werk dieser evangelischen Ar- 
beiter dieselben Resultate haben werde, wie bisher? Nein, die religiösen Häuser 
in Rom unterdrücken, heißt so viel, als allen in der Welt zerstreuten Gemein- 
schaften den Lebensnerv abschneiden, und eine Beraubung derselben um ihre 
hier liegenden Güter käme der Beraubung des ganzen Ordens und aller Or- 
 
	        
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