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Pelgien.
Als Hauptresultat der Wahlen ergibt sich das Faktum: daß innerhalb der
großen und größern Städte das oppositionelle Element vorwiegend ist. In
Brüssel haben es die Katholiken nicht einmal gewagt, eine Liste aufzustellen:
die Gewalt des denselben verhaßten Bürgermeisters Anspach und seiner Partei
ist ungeschmälert geblieben. In Lüttich, Gent, Mont, Tournai, selbst in
Mecheln und Löwen, haben die Liberalen die Oberhand gewonnen oder be-
halten; in Namur und Brügge vertheilen sich die zwei Parteien so ziemlich in
gleicher Weise. Was aber den Triumph der Liberalen auf's höchste sleigert
und dem Ministerium einen empfindlichen Schlag versetzt, ist der durch un-
sägliche Anstrengung bewirkte Sturz der seit neun Jahren herrschenden cleri-
calen Verwaltung in Antwerpen, welche bekanntlich aus den Volksversamm-
lungen gegen die Festungsbauten hervorgegangen war und dem Cabinet Frere-
Orban so viel zu schaffen gemacht hatte.
30. Juli. Die Königin wird nicht von einem Prinzen, sondern von einer
Prinzessin entbunden.
26. Oct. Die für eine Armeereform niedergesetzte Commission spricht sich
mit Mehrheit, wozu alle militärischen Mitglieder derselben gehören,
entschieden für Einführung der allgemeinen Dienstpflicht aus.
10. Nov. In Brüssel wird ein Flamänder, welcher der französischen Sprache
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gänzlich unkundig ist, auf Grund einer ausschließlich in französischer
Sprache geführten Gerichtsverhandlung zum Tode verurtheilt. Die
vlämische Presse erhebt sich entschlossen gegen diesen unerhörten Fall
der Verkennung der natürlichsten Menschenrechte und tritt neuerdings
für die Rechte der vlämischen Sprache ein.
„ Die Generalversammlung der kath. Vereine beschließt in Brüssel
unter dem Vorsitze des Generals Nobiano einstimmig eine Neihe von
Resolutionen gegen eine Erhöhung des Militärbudgets.
Die Resolutionen der verbündeten conservativen, d. h. katholischen Vereine,
deren Zusammenwirken vor 2½ Jahren das Aufkommen des katholischen Mi-
nisteriums zur Folge gehabt, und deren Sieg damals hauptsächlich dem Lo-
sungswort „Verminderung der Kriegsausgaben“ zu verdanken waren, lauten:
1) Die Verbindung der conservativen Vereine, in Betracht, daß jede Erschwe-
rung der Militärlasten dem Land antipathisch ist, und daß der Wahlkörper
und die conservativen Vereine zu wiederholtenmalen den Willen des Landes
in diesem Sinne ausgesprochen haben, erneuert, vertrauensvoll in die Weis-
heit der Regierung, die früher geäußerten Wünsche. 2) In Betracht, daß die
Achtung vor den öffentlichen Gewalten eine Grundbedingung der Ordnung
und der Freiheit ist, äußert dieselbe den Wunsch, daß künftighin die Würde
und Freiheit der hohen Staatsgewalten auf wirksame Weise geschützt werden
möchten. Letzteres zielt auf die vorjährigen Vorgänge vor dem Nationalpalasie,
ersteres auf die von der Militärcommission zu erwartenden Vorschläge, betr.
die Reorganisirung der Armee. Man bemerkt in der ersten Wunschesäußerung,
daß die Katholiken ihre frühere Parole, „Verminderung der Militärlasten“,
aufgegeben und einfach die Erschwerung derselben verhüten wollen. Ihre Stim-
mung jedoch angesichts der in Aussicht stehenden Heeresreform erhellt aus der
Phrase eines Redners, daß die allgemeine Wehrpflicht und die stehenden Heere
die Sklaverei im vollsten Sinne des Wortes constituiren.
„ Hr. Ozenne, der Unterhändler der französischen Regierung in
Handelssachen, trifft in Brüssel ein, um mit der belgischen Regierung