Relgien. 495
über einen neuen Handelsvertrag auf anderen Grundlagen als der
bisherige Verhandlungen einzuleiten.
12. Nov. Eröffnung der Kammern ohne Thronrede.
13.
22.
„ Der bisherige belgische Gesandte am kgl. italienischen Hofe, Hr.
Solvyns, der seinen Wohnsitz nicht nach Rom hat verlegen wollen,
wird nach London versetzt.
„ Der Kriegsminister Guillaume fordert seine Entlassung, weil die
Regierung nicht auf die von der Militärcommission vorgeschlagene und
vom ganzen Offizierscorps der belgischen Armee lebhaft gewünschte
Einführung der allgemeinen Wehrpflicht eingehen will.
„ Conflict des (clericalen) Ministeriums mit der römischen Curie
wegen der Aufstellung eines päpstlichen Consuls in Antwerpen.
Die päpstliche Curie hat nämlich ein solches Consulat, das eigentlich gar
keinen Sinn mehr hat, errichtet, ohne nur die belgische Regierung davon vor-
her in Kenntniß zu setzen. Die italienische Regierung remonstrirt dagegen
energisch, die belgische Regierung hat indeß schon vorher die Ertheilung des
Exequatur zugesagt; aber nun verweigert der König seine Unterschrift dafür.
Das Ministerium ist deßhalb gegenüber Rom in großer Verlegenheit und
sendet in seiner Bedrängniß einen seiner vertrautesten Freunde, der seiner Zeit
in der päpstlichen Armee gedient hatte und in Rom ausgedehnte Verbindungen
besitzt, nach Rom, um dem Papypste seine Verlegenheit darzustellen und ihn zu
bilten, die Affaire in glitlicher Weise beizulegen. Den Bemühungen desselben
gelingt es, einen Compromiß in der Art herbeizuführen, daß der zum päpst-
lichen Consul Ernannte sein Gesuch um Ertheilung des Exequatur zurückzieht,
ohne daß jedoch seine Ernennung vom Vatikan rückgängig gemacht wird, in-
dem die Antretung seiner Funktionen „einer andern Zeit“ vorbehalten bleibt.
10. Dec. II. Kammer: Das Cabinet muß endlich bezüglich der Armee-
21.
reorganisationsfrage Farbe bekennen: der Kriegsminister Gen. Guil-
laume ist entlassen, weil er für Einführung der allgemeinen Dienst-
pflicht war, während das Ministerium nach den Forderungen der
clericalen Partei an der bisherigen Stellvertretung festhält. Die Armee-
reformfrage bleibt vorläufig vertagt. Der Minister des Auswärtigen
übernimmt provisorisch auch das Kriegsministerium, und es wird schwer
halten, einen Kriegsminister zu finden, da alle höheren Offiziere für
Einführung der allgemeinen Wehrpflicht sind.
Wie die Blätter, ohne daß ihnen widersprochen wird, wissen wollen, hätte
der Kriegsminister zudem den letzten Stoß von den Bischöfen bekommen. Diese,
die Über die clericale Majorität in der Kammer verfügen, erklärten, die per-
sönliche Dienstpflicht anzunehmen, wenn der Kriegsminister als Entgelt die
militärischen Almoseniere wieder einführen und verordnen wolle, daß die Armee
unter Aufsicht und Führung der Offiziere zur Messe, Beichte und Communion
kommandirt werde. General Euillaume habe sich auf diesen angesonnenen
Bruch des belgischen Grundgesetzes, das den Staat als confessionslos erklärt,
nicht eingelassen, und sofort hätten die Bischöfe die allgemeine Dienstpflicht als
ein Institut der modernen Sklaverei verdammt, und der Minister fiel.
„ II. Kammer: nimmt das Rekrutirungsgesetz, nach dem bisherigen
Systeme, mit 61 gegen 20 Stimmen an. Die Regierung erklärt
sich, um die clericale Partei zu beruhigen, mit dem bestehenden Zu-
stande der Armee neuerdings vollständig befriedigt.